Aus Leidenschaft zur deutschen Brotvielfalt

Als die Japanerin Tomoko Morimoto 1995 ihr Studium zur Übersetzerin für asiatische Sprachen an der Universität Bonn begann, war ihr die deutsche Brotkultur noch kein Begriff. Das sollte sich schnell ändern – und sogar zu einer Leidenschaft werden. Vor allem die damals in Japan kaum bekannten dunklen Brotsorten hatten es ihr angetan. Aus dieser Leidenschaft ist nun ein Buch entstanden: „The Encyclopedia of German Bread“ heißt der im Sommer für die wachsende Zahl von Liebhabern deutscher Backwaren in Japan erschienene Titel.

Tomoko Morimoto

13 japanische Bäckerinnen und Bäcker konnte die Autorin für ihr rund 230 Seiten umfassendes Werk gewinnen. Sie alle kennen sich mit Brot, Brötchen und Kleingebäck deutscher Herkunft bestens aus, haben sie ihr Handwerk doch in Deutschland gelernt oder zumindest Kurse besucht.

Nobutaka Shimizu zum Beispiel hat von 2002 bis 2003 ein Praktikum in der Bio-Bäckerei Schomaker im niederrheinischen Neukirchen-Vluyn absolviert und führt heute unter diesem Label seinen eigenen Betrieb in Tokio. Ebenfalls am Rhein, in der Düsseldorfer Bäckerei Hinkel, hat Nobuyuki Kanenaga umfangreiche Erfahrungen gesammelt. In seinem Betrieb „Himmel“ bietet der Meister heute mehr 30 Backwaren aus Deutschland, Dänemark und Frankreich an.

Yasuteru Nakagawa

Ruft man um diese Jahreszeit die Webseite der Konditorei & Bäckerei K. B. Keiji auf, springt einem schon auf der Startseite ein „Frohe Weihnachten“ neben einem Tannenbaum ins Auge. Der 1972 gegründete Betrieb zählt zu den ältesten Bäckereien für deutsche Backwaren in Tokio, und das Sortiment ist dem einer deutschen Bäckerei durchaus ebenbürtig. Für das Buch hat der Inhaber schwäbische Brezeln und Toastbrot gebacken.

Tomoko Morimoto, die bis 2009 als Marketing-Managerin der dann liquidierten Centralen Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft in Tokio tätig war, hat ihre Enzyklopädie in fünf Kapitel gegliedert: Brot, Kleingebäck, Festtagsgebäck, Feine Backwaren und Brotkunde.

Noriko Ozawa

Rund 170 Rezepte haben die japanischen Betriebe für das Werk gebacken. Ausgehobenes Bauernbrot, diverse Brötchensorten und Faschingskrapfen finden sich hier ebenso wie ein Dinkellaugenherz, westfälischer Bauernstuten oder Mandel-, Nuss- und Mohnstollen.

„Da die meisten Bäckereien ihre Geheimnisse nicht so gerne verraten, stammt der überwiegende Teil der Rezepte von Lutz Geißler“, erzählt Morimoto, die heute als selbständige Unternehmerin Firmen berät, die in Japan deutsche Lebensmittel und Getränke importieren. Weitere Vorlagen haben unter anderem die Bäckereien Roland Keilig und Felix Remmele beigesteuert.

„The Encyclopedia of German Bread“ ist kein klassisches Backbuch für Hobby- und Profibäcker, sondern eher ein Nachschlagewerk, in dem die besonderen Eigenschaften, die Bedeutung des Namens und Hintergründe über die Entstehung der Produkte beleuchtet werden.

So erklärt die Autorin beispielsweise den Unterschied zwischen bayerischen und schwäbischen Brezeln, wie die Bezeichnung Mehrkornbrot zu verstehen ist und was es mit dem Neujahrskranz oder der „Reutlinger Mutschel“ auf sich hat. Deshalb können die Leserinnen und Leser nach der Lektüre des Buches mit Fug und Recht von sich behaupten, über die deutsche Brotkultur bestens im Bilde zu sein.

Ganz uneigennützig handelt die diplomierte Übersetzerin und Dolmetscherin nicht, denn die stärkere Verbreitung deutscher Backwaren in ihrer Heimat ist ihr eine Herzensangelegenheit: „Als ich nach zehn Jahren wieder zurück in Japan war, hat mir die deutsche Brotvielfalt gefehlt.“ Diese Vorliebe teilt sie offenbar mit vielen ihrer Landsleute, die wie sie fast ausschließlich mit „pappigem Weißbrot“ aufgewachsen sind: Zwar zählen auch Ausländer zu den Kunden der japanischen Bäckereien mit deutschem Sortiment, „aber der überwiegende Teil sind Einheimische“.

Yasutomo Ihara

Zu den Vorreitern deutscher Backwaren in dem 127 Millionen zählenden Land, berichtet Tomoko Morimoto, gehöre eine große japanische Supermarktkette. Das Unternehmen habe sich bereits vor 40 Jahren nicht auf den Import von Brot „Made in Germany“ beschränkt, sondern eigene Bäcker zur Weiterbildung nach Deutschland geschickt.

Alle Fotos: privat

Morimotos Buch ist einer Startauflage von 5000 Exemplaren erschienen und verkauft sich offenbar so gut, dass der Verlag bereits eine zweite Auflage in Betracht zieht, die 2018 erscheinen dürfte. Zudem gibt es Anfragen von Verlagen aus China und Taiwan, die an der Veröffentlichung von Lizenzausgaben interessiert sind. Derweil arbeitet die Autorin bereits an einem Nachfolger. Darin soll es um deutsche Torten und Kuchen gehen, die sich in Asien ebenfalls wachsender Beliebtheit erfreuen. Die ersten japanischen Konditoren haben bereits ihre Mitwirkung signalisiert.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)