Backen und jagen in 1.000 Meter Höhe

Wenn Frank Peter Kliem an seinem Arbeitsplatz aus dem Fenster schaut, sieht er vor allem eins: Berge. Die nächste Ortschaft mit Tankstelle und Lebensmittelmarkt ist rund 30 Kilometer entfernt. Der Bäcker- und Konditormeister leitet die „Bakerie Nansen“ im norwegischen Berggasthof „Haukeliseter Fjellstue“, die gut versteckt in der Wildnis des Städtedreiecks Bergen-Stavanger-Oslo liegt.

Kliem liebt seinen Arbeitsplatz in 1.000 Metern Höhe über dem Meeresspiegel, an dem er jede Nacht Brot und Feinbackwaren für die Gäste der größten bewirtschafteten Touristenhütte Norwegens herstellt. „Abgesehen von der Sommersaison, in der wir durcharbeiten, ist es hier sehr entspannt“, erzählt der gebürtige Göttinger, der den Betrieb seit 2015 leitet und Norwegisch gut versteht, aber „eher schlecht“ spricht.

Vor seinem Wechsel in die Einsamkeit der Berge ist Frank Peter Kliem viel herumgekommen. Nach der Bäcker-Ausbildung in seiner Heimatstadt verschlug es ihn zunächst nach Süddeutschland, um in Baden-Baden und Karlsruhe noch eine Lehre zum Konditor draufzupacken. Mit dem in Wolfenbüttel erlangten Meisterbrief in der Tasche betrat er dann erstmals norwegischen Boden und arbeitete in einer Konditorei in der Hafenstadt Bergen.

„Nach vier Jahren stand fest, dass ich mich dort nicht weiterentwickeln konnte“, sagt Kliem. Fortan war der heute 55-Jährige zwölf Jahre lang ständig auf Achse – als Außendienstmitarbeiter der Schweizer Chocolaterie Läderach für Norwegen, Finnland, Dänemark und die Niederlande. Bis ihm einer neuer Vertrag unter die Nase gehalten wurde, „den ich nicht unterschreiben wollte“.

Frank Peter Kliem fackelte nicht lange und ging zurück nach Norwegen, wo er zunächst in Hotelbäckereien bei Oslo und in Kristiansand tätig war. Dann ereilte ihn der Ruf aus 1.000 Metern Höhe: Das ganzjährig geöffnete „Haukeliseter Fjellstue“ mit seinen 150 Betten in 48 Zimmern und einem Wildnis-Spa-Bereich hatte eine Hausbäckerei eröffnet und suchte dafür einen erfahrenen Chef.

Dort backt er nun – bei Bedarf unterstützt von angelernten Mitarbeitern – vor allem Brot, Baguette und süße Stücken ohne industrielle Zusätze, wie etwa die für Skandinavien typischen „Kanelknuter“ (Zimtschnecken). „In Norwegen haben die meisten Brotsorten einen Weißmehlanteil von bis zu 90 Prozent“, erklärt der Bäcker- und Konditormeister, der sein Weizenmehl ausschließlich von heimischen Anbauern bezieht.

Das hält ihn nicht davon ab, der landestypischen Brotkultur so manchen Farbtupfer hinzuzufügen. Zum Beispiel Sauerteigbrote oder solche mit Kürbiskernen, geschrotetem Leinsamen, mit in Bier gekochter Gerste oder eine Variante mit Dinkel, Roggenvollkornmehl, Cranberrys und Walnüssen. Damit kann Kliem in erster Linie die einheimischen Übernachtungsgäste und Durchreisenden überraschen – denn die sind mit dem in Norwegen hauptsächlich in der Fabrik produzierten Brot nicht gerade verwöhnt.

Vor allem drei große Unternehmen beherrschen hier den Markt, erzählt Frank Peter Kliem. Aber in dem Königreich zeichnet sich auch eine schöne Entwicklung ab: „In den großen Städten entstehen vermehrt kleine Handwerksbäckereien mit hochwertigen Produkten“, weiß der Backstubenleiter. „Das ist gerade ein regelrechter Hype.“

Jetzt, im Sommer, müssen Kliem und sein Team Vollgas geben, denn die meisten der jährlich 20.000 Übernachtungen verzeichnet der Gasthof in der Hochsaison. Doch auch dann bleibt Kliem relativ entspannt: Er ist sein eigener Herr, entscheidet selbst, welche Backwaren morgens um 7 Uhr auf dem Frühstücksbuffet liegen, und er kann „ohne Kostendruck“ in hoher Qualität produzieren.

Und im Herbst und Winter, wenn der große Ansturm vorbei ist und es in 1.000 Metern Höhe wieder einsam wird, beginnt Kliems Arbeitstag öfters auch erst um 5 oder 6 Uhr. Zumal dann, wenn noch genügend Brot vom Vortag übriggeblieben ist. „Das ist kein Qualitätsverlust“, betont er. Und dann bricht auch die Zeit für ausgedehnte Wanderungen in den Bergen oder für die Jagd an.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)

Fotos: Bakeri Nansen