Erst mal einen Gang rausnehmen

Im Juni, wenn sie ihren Bäckermeister in der Tasche hat, will Bianca Schmidt erst mal einen Gang rausnehmen. Nach drei abgeschlossenen Ausbildungen ist das kein Wunder. Es sollte etwas dauern, bis sie mit dem Bäckerhandwerk zu ihrer wahren Profession fand. Die erste berufliche Station der 30-jährigen Frau aus Genthin in Sachsen-Anhalt war ein Frisörsalon. Doch zwei Jahre nach der Lehre stand fest, dass sie in diesem Job nicht glücklich werden würde: „Ich war nie mit Begeisterung dabei.“

Nach drei Ausbildungen am Ziel: Bianca Schmidt

Während ihrer verkürzten Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin sah die Sache schon etwas anders aus, aber der Weisheit letzter Schluss war auch dieser Beruf noch nicht. „Das hat mir schon gefallen, aber ich habe schnell gemerkt, dass mich die Herstellung der Backwaren mehr interessiert als der Verkauf.“ Dass die Mutter einer fünfjährigen Tochter im Laden eine sehr gute Besetzung war, ist quasi amtlich belegt: Im September 2014 qualifizierte sie sich als Landessiegerin von Sachsen-Anhalt.

Bereits einen Monat zuvor stand Bianca Schmidt zum ersten Mal in der Backstube der Deichbäckerei Buchholz in Seehausen im Landkreis Stendal. Für ihre ebenfalls verkürzte Ausbildung in dem 150 Jahre alten Familienbetrieb ist sie voll des Lobes: „Bäckermeister Olaf Buchholz hat sich immer Zeit für mich genommen und mir die Möglichkeit gegeben, mich auszuprobieren, das rechne ich ihm hoch an.“

Kneter an Kneter in der Dresdner Meisterschule

Von dieser Freiheit hat Bianca Schmidt reichlich Gebrauch gemacht – und nach Feierabend in der Backstube auf eigene Faust geübt, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden war. Mit dem Ergebnis ihrer Prüfung konnten sie und ihr Ausbilder ebenfalls zufrieden sein: Kammersiegerin. Also lag es nahe, wieder beim Landesentscheid mitzumachen. Doch da spielte die Handwerkskammer zunächst nicht mit: Zweimal an einer solchen Qualifizierungsrunde teilzunehmen, sei nicht möglich.

Mit einem solchen Bescheid waren die Herren bei Bianca Schmidt jedoch an der falschen Adresse. Und bei André Bernatzky ebenfalls. Der Diplom-Lebensmittelchemiker leitet die Akademie Deutsches Bäckerhandwerk Sachsen in Dresden, wo Schmidt gerade mit 25 Kollegen die Meisterschule besucht. Bernatzky setzte sich mit Erfolg für ihre erneute Teilnahme an einem Landesentscheid ein, aus dem sie als beste Nachwuchsbäckerin von Sachsen-Anhalt hervorging. „Dafür bin ich ihm sehr dankbar.“

Mit dem Meisterbrief in der Tasche könnte Bianca Schmidt in die Seehausener Deichbäckerei zurückkehren. Doch sie will ja erst einmal einen Gang rausnehmen und in Ruhe überlegen, was sonst noch möglich wäre. Einer vierten Ausbildung gegenüber wäre sie nicht abgeneigt – zum Beispiel als Lebensmitteltechnikerin oder Berufsschullehrerin. Aber das steht noch in den Sternen: „Ich lasse mich überraschen.“

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)

Kleine Meisterstücke – frisch aus dem Ofen