Brot im Lehmofen backen und dabei Geschichten erzählen

Am Ende dieses schönen 26. Deutschen Mühlentags werden es 330 Roggenmischbrote sein, die Jürgen Kleinert im Lehmofen der Dölitzer Wassermühle gebacken und verkauft hat. Dieses besondere Vergnügen am Pfingstmontag lässt sich der Leipziger Bäckermeister seit Mitte der neunziger Jahre nicht mehr entgehen – auch aus Liebe zu der letzten erhaltenen Wassermühle Leipzigs von 1540, die das technische Wahrzeichen des Stadtteils Dölitz ist.

Pfingsten als Freizeit ist für Kleinert, der drei Fachgeschäfte betreibt und vor allem für seine handgefertigten „Leipziger Lerchen“ bekannt ist, somit schon lange kein Thema mehr. Denn sein Einsatz auf dem Gelände der denkmalgeschützten Mühle, einem vormaligen Rittergut, beginnt mindestens zwei Tage vorher. „Am Samstagmorgen, oder besser schon am Donnerstag oder Freitag, heize ich den Ofen an“, erklärt der 67-jährige mit dem markanten weißen Vollbart, der die Geschicke des 1950 gegründeten Betrieb gemeinsam mit seiner Tochter Anja lenkt.

Am Samstagabend muss er dann Holz nachlagen und auch am Sonntag zweimal nach Dölitz fahren, damit der Lehmofen mit seiner schlechten Wärmeleitung rechtzeitig zum Mühlentag die richtige Betriebstemperatur erreicht. 100 Grad genügen jedoch, weil Jürgen Kleinert auf dem Fest „etwas mogelt“, wie er es formuliert: Die Brote sind zu 80 Prozent vorgebacken und müssen lediglich etwa zehn Minuten im Ofen ausharren, bevor sie mit einer wundervoll röschen Kruste auf dem Marktstand der Bäckerei verkauft werden.

„Eine solche Kruste erreicht man nur mit der schonenden Strahlungswärme eines Lehmbackofens, und wenn ich darauf klopfe, höre ich schon, wie das Brot schmeckt“, erklärt der Unternehmer den staunenden Zuschauern. Und er berichtet, dass sie hier und heute eine besondere, saisonale Variante seines Roggenmischbrotes erhalten – das Dölitzer Mühlenbrot. „Da wir uns auf einer Mühle befinden, erinnert die runde Form an das Wasserrad und ist mit Mehl bestäubt, und selbstverständlich gehört Bärlauch rein, weil der hier in Massen wächst.“

Jürgen Kleinert ist ein guter und glaubhafter Geschichtenerzähler, der das Mühlenfest nicht zuletzt dafür nutzt, die Werbetrommel für seinen Betrieb und das gesamte Bäckerhandwerk zu rühren. So räumt er auch mit dem öfters zu hörenden Mythos auf, wonach Bäckereien keinen Sauerteig mehr verwendeten. Wenn er mit solchen Äußerungen konfrontiert wird, kommt er richtig in Stimmung und erklärt als Erstes, dass es nicht möglich ist, ein Roggenbrot ohne dieses Triebmittel herzustellen.

Und dann erzählt er, dass Handwerksbäckereien in der Regel ihren eigenen Sauerteig haben, den sie hegen und pflegen wie ihren Augapfel, und wie schwer der Umgang damit sein kann: „Viele Bäcker beherrschen das nicht.“ Und Kleinert verschweigt auch nicht, dass die Backmittelindustrie fertigen Sauerteig in flüssiger oder fester Form im Angebot hat, der seinen Qualitätsansprüchen jedoch nicht genüge. „Das ist wie mit dem Unterschied zwischen frischer Milch und Milchpulver, also geschmacklich etwas ganz Anderes.“

Jürgen Kleinert ist an diesem Tag fraglos eine Hauptattraktion in der Dölitzer Wassermühle, deren Erhalt und stufenweiser Ausbau dem rührigen Verein Grün-Alternatives Zentrum Leipzig e. V. zu verdanken ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er mit vorgebackenen Broten anreist, die am Markstand reißenden Absatz finden. „Ansonsten könnten viele von Ihnen nur mit einem Foto nach Hause gehen“, erklärt er seinen Besuchern.

Die ansteckende Begeisterung, mit der Kleinert nun schon seit mehr als 20 Jahren auf dem Deutschen Mühlentag präsent ist, wollte sich bei dem Bäckermeister anfangs nicht so richtig einstellen. „Ich dachte, ich zeige den Veranstaltern einmal, wie das mit dem Lehmofen funktioniert, und dann sollen die das selbst machen“, erinnert sich der Vater von drei Töchtern.

Aber schließlich schlug der Funke des Ofens, den Jürgen Kleinert mit einer Mischung aus Holz und Holzkohle auf Temperatur hält, doch auf ihn über. Und heute möchte er das besondere Vergnügen des Pfingstmontags nicht mehr missen. „Viele halten mich deshalb für verrückt, aber wenn ich damit glücklich bin, ist das in Ordnung.“

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