Den Start verdammt schwer gemacht

Florian Gras macht es anders. Radikal anders als sein Vorgänger, von dem er den Betrieb Mitte des Jahres übernommen hat. Der 31-jährige Bäckermeister verzichtet komplett auf Konvenienz-Produkte und Zusatzstoffe jeglicher Art – und hat damit viele potenzielle Kunden (zunächst einmal) verschreckt.

Auf den ersten Blick stehen die Chancen, sich als Handwerks-Betrieb in Nauort im rheinischen Westerwald zu etablieren, nicht schlecht: Außer Gras‘ „Kleine Backwelt“ gibt es in der 2.300 Einwohner zählenden Gemeinde lediglich einen Aufbäcker. Wäre da nicht sein Vorgänger gewesen, der, so Gras, weitgehend Tütenprodukte im Sortiment hatte.

 

„König-Ludwig-Brot haben wir nicht.“ Florian Gras und seine Lebensgefährtin Melanie Gottwald (31), die den Verkauf managt, wissen nicht, wie oft sie diesen Satz in den vergangenen Wochen gesagt – und damit unverständliche Blicke geerntet haben. Der Verweis auf ihr aus 100 Prozent Roggen und eigenem Sauerteig hergestelltes „Brexbach-Brot“ war in solchen Situationen meist wenig hilfreich.

 

„Die Kunden dachten, wir hätten nicht nur den Betrieb, sondern auch das komplette Sortiment übernommen“, erzählt Gras. „Das hat uns den Start verdammt schwer gemacht“. Das große Thema Nummer zwei ist seine Preisgestaltung, die überwiegend als zu teuer gewertet wurde und wird.

 

Melanie Gottwald vermutet, dass ein weiteres Problem hinzukommt: „Wir sind keine Einheimischen.“ Wie auch immer: Die beiden Jungunternehmer belassen es nicht beim Jammern. Sie packen den Stier bei den Hörnern und leisten unermüdlich Aufklärungsarbeit darüber, warum sie alles anders machen.

 

Das kostet viel Zeit und Kraft, trägt aber erste Früchte, die den kleinen Ort in zwei Lager spalten: „Die eine Hälfte nimmt es uns übel, dass wir andere Vorstellungen vom Backen haben und die andere liebt uns inzwischen dafür“, berichtet Gottwald.

 

Fest steht jedenfalls, dass der Betrieb nicht von seinem Kurs abweichen wird. „Mit Fertigmischungen muss ich mich nicht selbstständig machen“, betont Florian Gras, für den das Bäckersterben zum Teil auch „eigenverschuldet“ ist.

 

Für eine gute beziehungsweise bessere Stimmung in den beiden Lagern sorgt inzwischen „Emma“. Die niedliche Schildkröte aus Hefeteig kommt vor allem beim Nachwuchs gut an, dem Gras in der Backstube gerne zeigt, wie sie hergestellt wird.

So wie kürzlich einer Klasse der örtlichen Grundschule. „Für diese Kinder sind wir seitdem der Bäcker mit der Schildkröte.“ Und für die Eltern vielleicht ja demnächst der Bäcker mit dem guten Brexbach-Brot.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)