Die Marketing-Profis von der Lahn

Tue Gutes und rede darüber. Diesen Kernsatz der Public Relations haben Dominique und Sascha Huth verinnerlicht wie die Rezepte ihr Urväter. Dementsprechend lassen die Inhaber der 1828 gegründeten Bäckerei Huth aus dem hessischen Limburg keine Gelegenheit aus, ihr Leitbild in die Öffentlichkeit zu tragen: „Wir verwenden keine Fertigmischungen, industriellen Teiglinge und chemischen Zusätze.“

Bei der Verbreitung dieser Maxime bedienen sich die beiden Bäckermeister von der Lahn, die 25 Fachgeschäfte und Cafés bis nach Wiesbaden betreiben, diverser Medien – von der gut gepflegten Webseite über Facebook, Twitter und Instagram bis hin zur viermal im Jahr erscheinenden Kundenzeitung „Zeit für Brot“. Das professionell erstellte Printmedium hat eine Auflage von 60.000 Exemplaren und nimmt kein Blatt vor den Mund – wobei auch Mitbewerber häufig ihr Fett abbekommen.

„Was soll E 471 im Schokobrötchen?“, heißt es etwa in großen Lettern auf der Titelseite der aktuellen Frühjahrsausgabe. Dazu ein Foto des 41-jährigen Brotsommeliers Dominique Huth mit folgendem Zitat: „Trotz des Versprechens, Backwaren in traditioneller Handwerkskunst herzustellen, stecken in vielen Produkten von Wettbewerbern eine Menge von Zusatzstoffen, die in Brot und Brötchen eigentlich nichts verloren haben.“

Gerne lassen die Huths auch ihre Kunden ausführlich zu Wort kommen – und zwar nicht nur in der Kundenzeitung, die auch an Journalisten und weitere Meinungsbildner sowie an Politiker verschickt wird. Deren Urteil ist etwa immer dann gefragt, wenn ein neues Produkt ins Rennen gehen soll. Vor jeder Markteinführung fragt man die rund 300 registrierten Produkttester des Betriebs, wer das neue Brot, Brötchen oder Teilchen testen und bewerten möchte.

„Wir erkundigen uns zum Beispiel nach der Haltbarkeit, nach dem verwendeten Belag oder nach einer Namensidee“, erklärt Dominique Huth das Prozedere. Seit Anfang dieses Jahres bindet der Betrieb, der mit dem Slogan „Der echte Bäcker. Echter Geschmack.“ wirbt, die Mitglieder seines Verbraucherpanels noch stärker ein: Auf Fotos und in kurzen Videos, die unter anderem auf Facebook verbreitet werden, sagen die Kunden, was sie an der Bäckerei Huth gut finden und warum sie dort kaufen. So lächelt beispielsweise Tobi S. aus Hünstetten in die Kamera und sagt: „Die Familie Huth arbeitet mit regionalen Partnern, das finde ich super!“

Auf die Zusammenarbeit mit lokalen Erzeugern legt man in Limburg großen Wert. So kommt etwa das Mehl aus der 80 Kilometer entfernten Wetterau; die steierischen Ölkürbisse wachsen direkt in der 35.000 Einwohner zählenden Kreisstadt, und wenn  es um die Wurst geht, kann die Bäckerei auf einen Metzger zählen, der weiß, wo die verarbeiteten Rinder und Schweine gelebt haben. „Noch können wir nicht alle Rohstoffe und Zutaten aus der Region beziehen, aber wir arbeiten daran“, verspricht Dominique Huth.

Auf dem Weg zum „echten Bäcker“ spielte das Jahr 2007 eine entscheidende Rolle. „Bei Brot und Brötchen haben wir ja noch nie mit Tüten und Convenience-Produkten gearbeitet“, erzählt Huth, „aber jetzt ging es darum, uns im Bereich Konditorei und Feinbackwaren komplett davon zu verabschieden“. Nach einer jahrzehntelangen diesbezüglichen Praxis war das kein leichtes Unterfangen.

Den größten Widerstand bei der Umstellung leisteten die Berliner beziehungsweise Kreppel, wie das Siedegebäck in Hessen heißt. An denen haben Dominique und sein Bruder Sascha am längsten getüftelt und laboriert. Doch das Ergebnis konnte sich sehenlassen: „Das Rezept war bei vielen Kollegen sehr begehrt, und wir haben es gerne weitergereicht.“

 

Der vollständige Abschied von Mischungen und Fertigprodukten hat sich für die Huths nicht nur im Marketing, sondern auch in barer Münze ausgezahlt: „In unserem Erfa-Kreis sind wir diejenigen mit dem niedrigsten Materialeinsatz und den niedrigsten Produktionskosten“, berichtet Dominique Huth. Wie das geht? „Mit einer Kalkulation, die diesen Namen verdient.“

 

Daran, hat Huth bei den Recherchen für seine Abschlussarbeit im Rahmen der Ausbildung zum Brotsommelier festgestellt, hapert es in den meisten Betrieben. 90 Prozent von ihnen verfügten nicht über eine präzise Kalkulation, sondern orientierten sich an den Preisen der Mitbewerber, lautet das Resultat des Unternehmers. „Das ist das Hauptproblem der Bäckereien, denn ohne eine vernünftige Kalkulation liegt man massiv daneben.“

Huth schildert dazu ein Beispiel aus der eigenen Praxis: 2018 wollten die Limburger ein Schweineohr ins Sortiment nehmen, stellten dann aber fest, dass ein solches Produkt realistischerweise 4,50 Euro kosten müsste – und legten das Vorhaben flugs wieder zu den Akten. „Es gibt Betriebe, die ein Stück Sahnetorte für 1,80 Euro verkaufen, daran kann man einfach nichts mehr verdienen“, ist der Bäckermeister überzeugt.

Berechnungen dieser Art bringt Dominique Huth auch in seine Brotsommelier-Abende ein. Bei den Kundenveranstaltungen geht es vor allem darum, den Stellenwert des Brotes stärker ins Bewusstsein der Verbraucher zu rücken sowie die Unterschiede zwischen Handwerksbäckereien und industriellen Anbietern anhand von Vergleichs- und Geschmackstests deutlich zu machen.

Gerne verweist Huth bei diesen Gelegenheiten, aber auch bei Führungen durch die Backstube, zudem auf die nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens. Zu diesem Selbstverständnis gehören etwa die Verwendung von Ökostrom, die bereits 2007 erfolgte Verbannung von Plastiktüten in den Fachgeschäften und der zwei Jahre später eingeführte Fairtrade-Kaffee.

Etwas stolz sind die Huths zudem auf ihre Einwegkaffeebecher, die in Deutschland hergestellt werden und aufgrund eines besonderes Produktionsverfahrens mit 90 Prozent weniger Material als vergleichbare Behältnisse auskommen. Und so bald wie möglich soll es nun auch den Plastikverpackungen für Brot in Scheiben an den Kragen gehen. Dazu läuft gerade eine Testphase mit gewachsten Papierbeuteln. Ein positives Ergebnis vorausgesetzt, hätten Dominique und Sascha Huth dann wieder etwas Gutes getan, über das sie reden könnten.

Fotos: Bäckerei Huth

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonlione.de)