Mit Tempo 40 durch Stadt und Land

Florian Domberger ist wieder einmal am Ziel. Der zehn Tonnen schwere Anhänger aus Schweizer Armeebeständen steht auf dem Marktplatz im brandenburgischen Eberswalde an der richtigen Stelle. Wenn der studierte Verkehrsbetriebswirt und Speditionskaufmann kurz darauf die Tür des olivgrünen Gefährts öffnet, staunen die Besucher nicht schlecht: Im Innern befindet sich eine komplett eingerichtete Backstube, aus der zwei Stunden später die ersten Brote kommen.

 

Vier bis fünf Ziele pro Monat – meist historische Märkte – steuert Domberger seit Anfang dieses Jahres mit seiner ehemaligen Heeresbäckerei aus dem Jahr 1968 an. Immer mit von der Partie ist Björn Wiese. Der Obermeister der Bäcker- und Konditoreninnung Barnim ist der Technische Betriebsleiter des gemeinsamen Unternehmens. „Björn bringt den Hirnschmalz ein und ich die Maschinen“, beschreibt Domberger die Zusammenarbeit der beiden Freunde. Bei dem Inhaber der Eberswalder Privatbäckerei Wiese hat der 49-Jährige Wahlberliner während eines elfmonatigen Praktikums das Backen gelernt und Ende 2015 die Sach- und Fachkundeprüfung im Bäckerhandwerk abgelegt.

Die alte Feldbäckerei, die Florian Domberger mit einer noch älteren Zugmaschine aus seiner Privatsammlung historischer Militärfahrzeuge mit Tempo 40 durch die Hauptstadt und übers Land zieht, macht ihm und seinem Lehrherrn großen Spaß. Gleichwohl geht es um mehr: Domberger will noch in diesem Jahr einen eigenen Betrieb in Berlin eröffnen, für den er auf seinen Touren gut ausgebildete Gesellen und einen Meister anwerben möchte. Aber auch ambitionierte Quereinsteiger sind ausdrücklich willkommen. „Wichtig ist, dass potenzielle Mitarbeiter meine Faszination für das Handwerk teilen, also nicht nur mit Backmischungen umgehen können.“

 

Seine Leidenschaft für gute, handwerklich hergestellte Backwaren verdankt der gebürtige Augsburger, der ebenso wie Björn Wiese Mitglied im Verein „Die Bäcker. Zeit für Geschmack“ ist, seinem Elternhaus, wo immer ein qualitativ hochwertiges Brot auf den Tisch kam. Dieser Anspruch ist in Fleisch und Blut übergegangen und stellte Domberger während seines achtjährigen Aufenthalts in Hongkong, Indonesien und Australien vor die Herausforderung, eine Alternative zum örtlichen Weizenmischbrot zu finden. Das war jedoch gar nicht so schwer: „Ich habe ich mir das Brot einfach von der Münchner Hofpfisterei schicken lassen.“

Die Idee, eine Bäckerei zu eröffnen, hatte der aus einer Spediteursfamilie stammende Schwabe bereits 2012 in Australien, wo er seinen MBA gemacht hat. Der entsprechende Markt wäre vorhanden gewesen, sagt Domberger. „Vor allem für Sauerteigbrot.“ Einen deutschen Bäcker als Kooperationspartner hatte er bereits ausfindig gemacht. Doch es sollte anders kommen: Die Erkrankung eines ihrer beiden Kinder zwangen die Dombergers zur Rückkehr nach Europa.

 

Vor dem Ortswechsel nach Berlin lebte die Familie noch zwei Jahre in der Schweiz, wo Florian Domberger einen gut dotierten Job bei einem amerikanischen Konsumgüterhersteller hatte. Doch dann war das Unternehmer-Gen in ihm nicht mehr im Zaum zu halten. Domberger kündigte, nahm über „Die Bäcker. Zeit für Geschmack“ Kontakt zu Björn Wiese auf und gewann die Familie für seine Umzugspläne in die Hauptstadt. „Wir hätten auch zurück nach Augsburg gehen können, aber dort gibt es bereits viele ausgezeichnete Bäcker, und wenn es um gute Lebensmittel geht, ist Berlin einfach die Trendsetterstadt schlechthin.“

Der künftige Betriebsinhaber klassifiziert sich als einen „einigermaßen fähigen Bäcker“, der den Teig versteht und außer einem Kneter keine Maschinen einsetzen, sondern sich in vollem Umfang auf das Handwerk besinnen möchte. Auf seinen Touren mit der mobilen Backstube hält Domberger nach Mitarbeitern Ausschau, die seine Passion für dieses Selbstverständnis teilen, die darüber hinaus pünktlich und zuverlässig sind und deren Hände „vom Hirn gesteuert werden“. Wenn diese drei Eigenschaften zusammenkommen, ist er überzeugt, hat man „einen guten Fang gemacht“.

 

Eine Punktlandung hat Florian Domberger zudem bei der Auswahl seiner stationären Betriebsstätte hingelegt. Das Konzept des Betriebs im Berliner Stadtteil Moabit beruht auf einem überschaubaren Sortiment: Brot, Brötchen und einige Bäckerkuchen für anspruchsvolle Kunden, die gerne etwas mehr für Lebensmittel in hoher Qualität ausgeben. Und was bedeutet die Eröffnung des stationären Betriebs für die mobile Heeresbäckerei? Nichts. Denn mit dem olivgrünen Gefährt werden Florian Domberger und Björn Wiese weiterhin Ziele in Stadt und Land ansteuern.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)