Ein Wiener backt Wiener Brot in Berlin

Gut gekocht wird bei Sarah Wiener seit 30 Jahren. Im Museumsrestaurant unweit des Berliner Hauptbahnhofs ebenso wie fürs Catering – vorwiegend mit Bio-Produkten vom eigenen Bauernhof in der Uckermark. Seit 2012 wird in der Firmengruppe zudem gut gebacken: in der Holzofenbäckerei Wiener Brot, einem Gemeinschaftsunternehmen der Fernsehköchin und des Wiener Bäckermeisters Helmut Gragger. Mit diesem Betrieb, der gerade umstrukturiert und erweitert wird, haben Wiener und Gragger seit Anfang dieses Jahres viel vor.

Als Testballon zum Start der Bio-Bäckerei dienten ein kleines Ladenlokal in Berlin-Mitte sowie einige Wochenmärkte. Das Echo ließ nicht lange auf sich warten und fiel zur vollen Zufriedenheit der Gründer aus: „Unsere Produkte kamen sehr gut an, da haben wir wohl offene Türen eingerannt“, sagt der Geschäftsführer Marc Ribbeck. Der schnelle Erfolg ist gewiss zu einem großen Teil auf die Prominenz Sarah Wieners zurückzuführen, die dem neuen Unternehmen ein aufwendiges Marketing erspart hat.

So war es auch eine eher überschaubare Übung, im Bio-Einzelhandel Fuß zu fassen. „Mit der Bio-Company hatten wir nach relativ kurzer Zeit einen Partner gefunden, mit dem wir gemeinsam gewachsen sind“, erzählt Ribbeck. Heute sind die 52 Filialen der Kette ein verlässlicher und starker Umsatzbringer. Dennoch stellt sich die Frage, wie beziehungsweise mit welchem Sortiment man sich in der an guten Bäckereien nicht gerade armen Hauptstadt vom Wettbewerb abheben kann.

„Mit unseren Produkten haben wir eine starke österreichische Prägung nach Berlin gebracht“, erklärt Helmut Gragger. Er verweist zum Beispiel auf ungewohnte Gewürze in „charakterstarken hefefreien Broten auf Demeter-Basis“, von denen sich vor allem die drei Zwei-Kilo-Leibe bei den Kunden großer Beliebtheit erfreuen. Gut aufgestellt ist der Betrieb zudem im Snackbereich. „Unsere Stullen zum Beispiel haben sich wahnsinnig gut entwickelt“, erzählt Gragger. „Die sind richtig dick belegt, also so, wie man es selbst machen würde.“

In Wien zählt der Bio-Betrieb des umtriebigen 48-jährigen Bäckermeisters mit vier Fachgeschäften zu den ersten Adressen, wenn es um handwerklich hergestellte Backwaren geht.  Darüber hinaus ist Gragger für sein soziales Engagement bekannt. So betreibt er unter anderem im Senegal mehrere Kleinbäckereien als gemeinnützige, nicht gewinnorientierte Unternehmen.

Im November dieses Jahres wird er zusammen mit dem ehemaligen Grünen-Politiker Christoph Chorherr in Wien die Bäckerei „Gragger & Chorherr“ eröffnen, die durch Flucht oder Arbeitslosigkeit benachteiligten Menschen eine neue Perspektive eröffnen soll. Außerdem betreibt er zusammen mit einem Partner einen Hersteller von Holzbacköfen.

Neue Perspektiven zeichnen sich derweil auch in Berlin ab. So beliefert Wiener Brot seit Mitte 2018 nicht nur sämtliche Läden der Bio-Company, sondern auch die ersten 18 von insgesamt 80 Berliner Rewe-Märkte mit zunächst vier Sorten Brot. „Dafür haben wir das Hauptstadtbrot als eigene Marke entwickelt“, berichtet Marc Ribbeck.

Dieser Schritt ist aus der Sicht des Geschäftsführers unumgänglich, da man den Bio-Einzelhandel nicht verärgern möchte. Um noch neutraler am Markt agieren zu können, hat das Unternehmen zudem umfirmiert und heißt nun „Das ist Brot“. „Wir wollten uns nicht dem Vorwurf aussetzen, mit dem Bio-Märkten gewachsen zu sein und das dasselbe Brot nun an Rewe einen Euro günstiger zu verkaufen“, erklärt Ribbeck.

Parallel zum Einstieg bei Rewe will der Betrieb, der in der Produktion aktuell sieben Bäcker und drei Auszubildende beschäftigt, mit eigenen Fachgeschäften stärker Flagge zeigen und so der Gefahr einer Abhängigkeit vom Lebensmitteleinzelhandel vorbeugen. Geplant sind bis zu acht zusätzliche Standorte in der Hauptstadt – vornehmlich in kaufkräftigen Bezirken beziehungsweise Stadtteilen wie Charlottenburg, Prenzlauer Berg und Mitte. Und wenn alles nach Plan verläuft, wird das erste neue Fachgeschäft noch in diesem Jahr eröffnet werden.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)

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