Genug von Expansion und Konvenienz-Produkten

Tobias Exner will nicht mehr expandieren. 36 Standorte in Brandenburg und Berlin sind dem Inhaber der Bäckerei Exner aus Beelitz südlich von Potsdam genug. Aber auch ohne die Aussicht auf ein räumliches Wachstum hat der 43-Jährige noch reichlich Pläne im Kopf und in der Schublade. Einer davon sieht so aus: In 18 Monaten möchte Exner kein einziges Konvenienz-Produkt mehr in seinem 1928 gegründeten Betrieb sehen.

In der Produktion von Brot und Brötchen ist dafür schon lange kein Platz mehr. Jetzt soll die Konditorei folgen. Und der erste Schritt ist bereits zurückgelegt: „Wir haben gerade drei Cremekocher bestellt“, erzählt Exner, der die Firma 2008 von seinem Vater Ingo übernommen und am vergangenen Wochenende ein großes Fest zum 90. Geburtstag des Unternehmens organisiert hat.

Der Abschied von der Tüte steht im Mittelpunkt des Konzepts, den Kern der Marke Exner weiter zu schärfen und sich noch deutlicher vom Wettbewerb abzugrenzen. Dieses Prozedere dient einem ehrgeizigen Ziel: „In unserer Größenordnung möchten wir der beste und teuerste Bäcker in der Region Berlin-Brandenburg werden.“ Und dazu gehört für Tobias Exner vor allem „ehrliches Handwerk“.

Der teuerste? „Ja“, sagt der dreifache Familienvater, „weil ich auch der beste Arbeitgeber werden möchte, und gute Mitarbeiter kosten viel Geld“. Dass es bei diesem Thema nicht nur um die überdurchschnittliche Entlohnung geht, wird klar, wenn man den 100 Quadratmeter großen Seminarbereich des märkischen Betriebs betritt.

Die Räume zur Schulung und Weiterbildung der rund 250 Mitarbeiter stehen unter der Regie von Exners Ehefrau Kathleen, einer gelernten Gymnasiallehrerin. Sie leitet den Personalbereich und damit auch das Personalmarketing des Familienbetriebs, der kaum eine Gelegenheit auslässt, auf regionalen Messen und anderen Veranstaltungen Flagge zu zeigen.

Dasselbe gilt für den Bereich Produktmarketing und Sponsoring. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die auf Dauer angelegte Unterstützung der gemeinnützigen Potsdamer Hip-Hop-Tanzformation „RokkaZ“. Auf deren Namen hat Tobias Exner vor zwei Jahren ein neues Produkt getauft, das er zum Preis von 1,70 Euro ebenso teuer wie erfolgreich verkauft.

„RokkaZ“ ist ein ohne Zusatzstoffe von Hand als Knoten gefertigtes, hundertprozentiges Dinkel-Milchbrötchen in den Varianten Schokolade oder Rosine – mit Weizenvorteig, Kochstück, echter Vanille sowie Milch von der gläsernen Molkerei Hemme-Milch aus der Uckermark. „Das dürfte das teuerste Milchbrötchen Deutschlands sein“, vermutet Exner, der die exklusive Kreation in Form einer eingetragenen Marke schützen lässt.

10 Cent pro verkauftem Stück gehen an die sozial engagierte Tanztruppe in der brandenburgischen Landeshauptstadt. Über das Echo der Kundschaft auf das hochwertige Produkt kann sich der Bäckermeister wahrlich nicht beklagen: „2017 haben wir davon 180.000 Stück verkauft, und in diesem Jahr werden es wohl mehr als 200.000 sein.“

Für den reißenden Absatz sorgen nicht nur der soziale Hintergrund des Potsdamer Projekts, sondern auch eine gute Mundpropaganda sowie die Vermarktung via Facebook. Und gut fürs eigene Gewissen ist es obendrein: „Wenn ich schon aus zeitlichen Gründen kein Ehrenamt übernehmen kann, will ich mich wenigstens auf diese Art gesellschaftlich engagieren.“

Auf Facebook erlebt man Tobias Exner nicht nur als Marketingprofi, sondern auch als engagierten Gegner von Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus jeglicher Couleur. Unverrückbare Werte prägen zudem das unternehmerische Handeln des Bäckers, der nach Möglichkeit nicht mit Konzernen zusammenarbeitet. „Das ist nicht einfach, aber ich versuche es, weil sich dort alles um Gewinnmaximierung dreht und die Verantwortung gegenüber Mensch und Natur kaum keine Rolle spielt.“

Exner kauft seine Rohstoffe und Zutaten also am liebsten in der Region, was natürlich auch gut fürs Image als ehrlicher Handwerker ist – auch wenn etwa die Kürbiskerne vom Beelitzer Bauern- und Spargelhof Syring doppelt so teuer sind wie die aus China. Das Obst für seine künftig selbstgekochten Marmeladen möchte er ebenso mehr und mehr von heimischen Erzeugern aus Brandenburg beziehen wie Sonnenblumenkerne oder die Milch zur Zubereitung von Caffè Latte, Cappuccino und Co. in seinen 15 Cafés.

Und klar, die Kunden der Bäckerei Exner mögen es, wenn man ihnen das Gefühl gibt, über den Kauf der Backwaren ebenfalls mit ihrer Region verbunden zu sein. Und Tobias Exner findet es gut, wenn er ihnen darüber hinaus möglichst viele Produkte wie das „RokkaZ“ anbieten kann, die sie exklusiv in seinen Fachgeschäften erhalten.

Diese Strategie soll überdies das heute schon relativ breite Dinkel-Sortiment weiter voranbringen. „Wir sind aktuell schon der Betrieb mit den meisten Dinkel-Produkten in der Region bis hin zu Feingebäck“, sagt Exner, „und diese Schiene werden wir ausbauen.“

Wohin die Reise ihres Bäckers gehen soll, konnten viele Kunden am 2. und 3. Juni im Beelitzer Gewerbegebiet Süd hautnah erleben: Die große Feier zum 90. Geburtstag war ein Publikumsmagnet. Äußerst anziehend wirkte dabei gewiss auch ein Gewinnspiel, das mit einem Kleinwagen als Hauptpreis aufwartete.

Fotos: Bäckerei Exner/Martin Blath

Nur gewinnen kann die Kundschaft, wenn Tobias Exner demnächst wieder die Schulbank drückt: Der umtriebige Unternehmer will sich noch in diesem Jahr in Weinheim zum Brot-Sommelier ausbilden lassen. „Ich möchte nicht ständig in der eigenen Soße schwimmen, sondern über den Tellerrand schauen und etwas dazulernen.“ So wird Exner also zumindest hinsichtlich seines Fachwissens doch noch einmal expandieren.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)