Geschichtet, gefüllt und gerollt

Am Anfang war Theresa Mannschatz gar nicht so begeistert von dem Produkt, das sie heute mit großer Hingabe selbst herstellt. „Bolo de Rolo“ ist eine im Nordosten Brasiliens beheimatete Teigrolle aus fünf hauchdünnen Schichten, die sie zunächst viel zu süß fand. Und nicht etwa während ihres zweieinhalbjährigen Forschungsaufenthalts in Brasilien hat die promovierte Geoökologin das Gebäck kennengelernt, sondern über einen einheimischen Freund, der ihr ein Exemplar davon mit nach Berlin gebracht hat.

 

Theresa Mannschatz arbeitet nach wie vor hauptsächlich als Wissenschaftlerin – aber ein Tag pro Woche ist seit Anfang 2016 dem Backen in einer gemieteten Küche vorbehalten. Dann verteilt sie den flüssigen Biskuitteig aus Bio-Zutaten geschickt mit einem Werkzeug zur Herstellung von Crêpes auf Backpapier und holt ihn nach wenigen Minuten bei 170 Grad aus dem Ofen.

Dieser Vorgang wiederholt sich fünfmal, bevor es an die Füllung zwischen den einzelnen Schichten und ans Rollen geht. „Am beliebtesten ist das Original mit aus Brasilien importierter Guave“, sagt Mannschatz, die den Kuchen vor allem an in Berlin lebende Brasilianer verkauft. Aber auch die anderen Varianten haben eine treue Fan-Gemeinde: Zitrone-Ingwer, Maracuja-Kokos, Kirsch-Mandel, Schokolade-Karamell, Pistazie-Granatapfel, Papaya-Mango, Schoko-Erdbeere, Sanddorn-Birne-Vanille.

Granatapfel-Pistazie

Etwa 600 Gramm bringt ein fertiger Bolo de Rolo, der in seiner Heimat seit 2007 als immaterielles Kulturgut geschützt ist, auf die Waage. Und 15 Euro in die Kasse – etwa so viel wie für ein entsprechendes Qualitätsprodukt in Brasilien. „Der relativ hohe Preis schreckt viele potenzielle Kunden erst einmal ab, aber die Herstellung ist halt äußerst kompliziert und erfordert viel Erfahrung“, sagt Theresa Mannschatz.

Die Geschichte der exotischen Backwaren geht bis ins 17. Jahrhundert zurück, hat die gebürtige Leipzigerin recherchiert. Und sie beginnt nicht etwa in Brasilien, sondern in dem portugiesischen Ort Taviraan an der Algarve, von wo der hauptsächlich als Dessert servierte Kuchen in die Provinz Pernambuco des südamerikanischen Landes gelangte.

Kirsch-Mandel

Dort gab es jedoch ein Problem: Es mangelte an den in Portugal üblichen Marmelade-Füllungen aus Birnen oder Quitten; außerdem waren Zutaten wie Mandeln, Pinienkerne oder Ingwer schwer zu bekommen. Doch die brasilianischen Bäckerinnen wussten sich zu helfen und schufen Ersatz in Form von regionalen Fruchtzubereitungen aus süßer Milchcreme, Guave und Pflaume.

Von dem einen oder anderen Event abgesehen, beliefert die backende Wissenschaftlerin derzeit vor allem Privatkunden in Berlin. Der Verkauf läuft bisher größtenteils über Online-Bestellungen, die dann entweder persönlich abgeholt oder per Post verschickt werden. Mehr als zehn Kuchen pro Woche kann Mannschatz momentan nicht backen, denn ihre Tätigkeit als Analystin geografischer Daten möchte die 34-Jährige nicht komplett aufgeben.

 

Dabei stehen die Zeichen gut, dass sich ihre Geschäftsidee schnell zu etwas Größerem entwickeln könnte: „Sobald ich etwas auf Facebook poste, kommt eine Welle von Bestellungen rein.“ Das verwundert nicht, denn noch dürfte sie in Deutschland, wenn nicht gar in Europa, die einzige Herstellerin von Bolo de Rolo sein. Außerdem bietet sich für das tagelang haltbare Produkt ein Online-Shop mit bundesweitem Vertrieb an.

Maracuja-Kokos

Dem Gedanken an Expansion und Professionalisierung möchte sich Theresa Mannschatz deshalb nicht gänzlich verweigern. „Ich kann mir allerdings auch nicht vorstellen, nur noch in der Backstube zu stehen, dann würde ich wahrscheinlich schnell die Lust verlieren.“ Ein Ziel steht aber schon mal fest: die Rohstoffe und Zutaten künftig ausschließlich bei regionalen Erzeugern kaufen und die Füllungen selbst zubereiten.

Erstveröffentlichung: Konditorei & Café – Patisserie (www.kocaonline.de)