Ein letzter Gruß an die Nachtarbeit

Nachtarbeit? Nein danke! Nach gefühlten unzähligen Jahren des frühen Aufstehens kann Michael Köser nun jeden Tag ausschlafen. Der 52-jährige Bäckermeister steht erst ab 7 Uhr morgens in seiner am 1. Juli eröffneten Bio-Bäckerei im Bezirk Neukölln, die er auf den Namen „kønigliche Backstube“ getauft hat. Zwei Stunden später öffnet der Laden. Bis dahin sind zwar die Brötchen aus dem Ofen gekommen – aber auf das Brot müssen die Kunden bis zum Nachmittag warten.

Hat sich von der Nachtarbeit verabschiedet: Michael Köser

Das ist kein Problem, denn viele Bewohner des Stadtteils Rixdorf freuen sich, endlich wieder einen richtigen Bäcker um die Ecke zu haben. „Ich will der Kiezbäcker sein und bleiben“, sagt Köser, dessen letzte Station vor dem Sprung in die Selbstständigkeit die Berliner Bio-Bäckerei Beumer & Lutum war. In seinem 90 Quadratmeter großen Betrieb, dessen Name an Kösers dreijährige Tätigkeit in Dänemark erinnert, ist alles überschaubar. Auch das Sortiment: Über die Woche verteilt sieben Sorten Brot, fünf Sorten Brötchen, einige süße Stückchen und ein bis zwei Kuchen müssen erst einmal reichen. Im Laufe der Zeit kommt gewiss noch das eine oder andere Produkt wie Croissants hinzu, aber grundsätzlich soll das Angebot schmal bleiben.

Starkes Team: Theresia Innerhofer und Michael Köser

Auch damit haben die Kunden kein Problem, wissen sie doch, dass sie alles in bester handwerklicher Qualität mit weitgehend regionalen Zutaten erhalten. Dieses Wissen hat Michael Köser vom ersten Tag an ein volles Haus beschert. Einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zu dem Start nach Maß hat aber auch die gläserne Backstube geleistet, die unmittelbar in den Laden übergeht. „Ich möchte, dass die Kunden einen direkten Bezug zum Backen haben, und das kommt sehr gut an“, sagt Köser.

Von der Möglichkeit, sich an der Scheibe zur Backstube die Nase platt zu drücken, machen nicht nur die Kinder, sondern gleichermaßen auch die erwachsenen Kunden rege Gebrauch. Und oft bleibt es nicht beim Blickkontakt zum Meister und seiner Auszubildenden Theresia Innerhofer. Das ist ganz im Sinne Kösers, der auf einen intensiven Dialog mit seinen Kunden setzt.

 

Frisch aus Ofen: Michael Kösers “Nachmittagsbrot”

Die meisten von ihnen begrüßt er inzwischen schon mit Namen und erklärt ihnen bei einem Espresso gerne sein Konzept und die Philosophie. Kösers Antworten auf die vielen Fragen werden die Kunden demnächst auch schriftlich bekommen: Der Bäckermeister, der sein Handwerk im großväterlichen Betrieb in Lüdenscheid gelernt hat, arbeitet an einer „Brotfibel“, in der es beispielsweise um die Themen Rohstoffe, Langzeitführung und Haltbarkeit geht.

Michael Köser ist glücklich mit seiner Entscheidung, die Nachtarbeit für immer hinter sich gelassen zu haben. Das sieht man ihm, der stets ein Lächeln für seine Kunden und Mitarbeiter hat, auf den ersten Blick an. Glücklich ist er auch ob des Umstands, zügig Unterstützung in der kleinen Backstube bekommen zu haben. „Theresia wollte eigentlich Bäckereifachverkäuferin werden, hat sich dann aber schnell anders entschieden.“

 

Naschen erlaubt: Orangekeckse im Schatzkästlein

Im Laufe ihrer Ausbildung wird die junge Frau nicht nur von ihrem Meister viel lernen, sondern auch den Blick auch über den Neuköllner Tellerrand hinaus lenken: Köser und sein ehemaliger Arbeitgeber Beumer & Lutum haben einen Lehrlingsaustausch vereinbart. Das ist aber auch wirklich der letzte Gruß an die Nachtarbeit.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)