Mit Tattoos den Stollen entstauben

Im Juni des Jahres 2013 stand Rüdiger Zopp vor einem Scherbenhaufen: Das wochenlange Hochwasser der Elbe hatte den Betrieb des Bäckermeisters südöstlich des Dresdner Stadtzentrums nahezu vollständig zerstört. In dieser vermeintlich ausweglosen Situation hatte er eine „Marienerscheinung“ – die ihn zur Erfindung seines Whiskey-Stollens führte.

 

Nicht zuletzt diese Eingebung von oben war es, die Zopp die Ärmel hochkrempeln ließ, um seine 1547 gegründete Dresdner Mühlenbäckerei wieder aufzubauen. „Einige Kollegen hatten mich bereits gefragt, ob ich den Betrieb abgeben möchte, aber ich war noch nicht tot“, erzählt der 55-Jährige, dessen Kennzeichen ein unverwüstlicher Humor und ein untrügliches Gespür für Marketing sind.

 

Diese Gabe setzte Rüdiger Zopp, der bis Weihnachten wieder auf dem Dresdner Striezelmarkt präsent ist, im Sommer dieses Jahres auch zur Vermarktung seines zum Patent angemeldeten Whisky-Stollens ein. Die vor allem auf Facebook zu sehende Plakatkampagne hat es in sich: Ein offenbar am gesamten Oberkörper tätowiertes junges Paar soll zum Genuss des Christstollens verführen, der reichlich mit einem edlen Destillat aus Schottland getränkt ist und ihm eine rauchige und leicht salzige Note verleiht.

 

„Bei jungen Menschen hat der Stollen ein Image wie Fred Feuerstein, also total verstaubt“, stellt der Unternehmer mit der markanten grünen Brille fest. Das möchte er mit seiner kernigen Kampagne ändern und vor allem die „Generation Facebook und I-Phone“ aus der Reserve locken.

 

Gleichwohl hat Zopp, dessen Betrieb zu den rund 120 Dresdner Stollenbäckereien gehört, dabei auch ältere potenzielle Kunden im Blick, die zu Weihnachten keine Socken oder Krawatten überreichen möchten, sondern ein ausgefallenes hochwertiges Geschenk wie den Whiskey-Stollen: 40 Euro kostet der ein Kilogramm schwere Kuchen, der in einem dekorativen Holzkoffer angeboten wird, auf dem sich zudem der Name des Beschenkten einbrennen lässt.

 

Die Idee zu der ausgefallenen Kampagne hat Rüdiger Zopp zusammen mit dem Leipziger Fotografen Alexander Sens in die Tat umgesetzt. „Ihm schwebte ein volltätowiertes Model vor, und so habe ich habe ihm ein Pärchenshooting vorgeschlagen, weil ich darauf spezialisiert bin“, erzählt Sens.

 

Zopp, der sich zu den kleinsten Dresdner Betrieben zählt, pro Saison aber immerhin etwa 7.000 Stollen herstellt, ist stolz darauf, mit seiner Whiskey-Spezialität bereits vor drei Jahren eine Punktlandung hingelegt zu haben: „Ich habe Queen Elisabeth ein Exemplar geschickt und prompt ein Dankesschreiben des britischen Königshauses erhalten.“

Doch damit nicht genug der Aufmerksamkeit: Im November 2016 erhielt der Bäckermeister eine Einladung nach London – nicht in den Buckingham Palast, sondern zu einer exklusiven Veranstaltung des „German National Tourist Office“.

 

In der „Revolution Bar“ nahe der Tower Bridge war Rüdiger Zopp in bester Gesellschaft: Sämtliche ostdeutschen Tourismusmarketing-Gesellschaften einschließlich Berlin gaben sich dort ebenso ein illustres Stelldichein wie Vertreter der Zeitungen „The Guardian“, „The Independent“ und „Sunday Times“.

 

Rüdiger Zopps Liebe zu Großbritannien („das hat sich einfach so ergeben“) zeigt sich auch an seinem Betrieb mit acht Beschäftigten: Den Laden ziert ein typischer englischer Briefkasten, im Büro steht ein Exemplar der berühmten roten Telefonhäuschen – und über Dresdens Straßen kutschiert er gerne schon mal mit seinem schwarzen Londoner Taxi.

Während der Handwerks- und Marketingmeister noch bis zum Heiligen Abend auf dem Striezelmarkt ausharrt, schmiedet er bereits Pläne für die nächste, durchaus provokante Plakatkampagne zur Vermarktung seiner Stollen:

 

Sechs volltätowierte Frauen und Männer sitzen um einen Tisch, hinter dem sie ihre Motorräder geparkt haben und Zopp reicht ihnen – in Anlehnung an das letzte Abendmahl – ein Stück Stollen. Vor möglichen Protesten darauf hat er keine Angst: „Vielleicht werde ich danach exkommuniziert, aber das wäre mir egal, Hauptsache, man redet über mich.“

Fotos: Alexander Sens (https://love-you-photography.de)

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)