Bernd und Fabio Wettlaufer hatten sich f\u00fcr den 4. Oktober gut gewappnet. Aber was sie an diesem sonnigen Morgen bei der Er\u00f6ffnung ihres \u201eBrotkultur-Ladens\u201c im Frankfurter Stadtteil Eschersheim erleben sollten, verschlug ihnen f\u00fcr einen Moment die Sprache: Von der ersten Minute wurden sie Zeugen eines Kundenansturms, der wohl in die Firmengeschichte eingehen wird \u2013 und bis zum Feierabend eine B\u00f6e auf die andere folgen lie\u00df.<\/p>\n

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Als die beiden Inhaber der 1888 gegr\u00fcndeten B\u00e4ckerei mit Sitz in Rockenberg in der Wetterau die Sprache wiedergefunden hatten, mussten sie unz\u00e4hlige Fragen von unz\u00e4hligen Kunden beantworten. Allen voran die nach dem ungew\u00f6hnlichen Namen der umgebauten Konditorei ihres Vorg\u00e4ngers in 1-a-Lage, unmittelbar am oberirdischen U-Bahnhof Wei\u00dfer Stein.<\/p>\n

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\u201eDer Laden hei\u00dft so, weil wir mit unseren handwerklich hergestellten Backwaren ohne jegliche Zusatzstoffe die deutsche Brotkultur repr\u00e4sentieren und die Seele des Brotes retten m\u00f6chten\u201c, lautete eine ihrer Standardantworten. Diese Auskunft in Verbindung mit dem geradezu spektakul\u00e4ren Ladenkonzept verschlug dann wiederum vielen Kunden f\u00fcr einen Moment die Sprache.<\/p>\n

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Anstelle klassischer Brotregale lie\u00dfen die Wettlaufers sich f\u00fcr ihren sechsten Standort deckenhohe Stellagen in die drei Fenster des Ladens einbauen, die auch f\u00fcr die wartenden Fahrg\u00e4ste der U-Bahnlinien 1, 2, 3 und 8 bestens einsehbar sind. Um die ganz oben lagernden Brote greifbar zu machen, bedarf es eines speziellen Werkzeugs und viel Fingerspitzengef\u00fchl. Sonst w\u00fcrden sie unkontrolliert in die Tiefe purzeln, wie es am Er\u00f6ffnungstag das eine oder andere Mal zu beobachten war.<\/p>\n

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Die Pr\u00e4sentation der Br\u00f6tchen ist ebenfalls ungew\u00f6hnlich: Statt in K\u00f6rben hinter den R\u00fccken der Verk\u00e4uferinnen versteckt, lachen sie Kunden aus einer Vitrine direkt an. \u00a0\u201eDer Ladenbauer h\u00e4tte uns nat\u00fcrlich am liebsten eine L\u00f6sung von der Stange verkauft, mit dem Kollegen angeblich schon Millionen verdient haben\u201c, erz\u00e4hlt Bernd Wettlaufer im Caf\u00e9bereich seines Leuchtturm-Projekts, an dem noch ein Tag vor der Er\u00f6ffnung geschraubt, gebohrt und ges\u00e4gt wurde.<\/p>\n

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Mit diesem Ansinnen war er bei dem Brotsommelier und seinem Sohn, dem B\u00e4ckermeister und Ern\u00e4hrungsberater Fabio, allerdings an der falschen Adresse. \u201eWir m\u00f6chten bei den Kunden ein Bewusstsein f\u00fcr ehrliche, hochwertige Backwaren mit dem Geschmack von fr\u00fcher wecken\u201c, erkl\u00e4rt der 57-j\u00e4hrige Unternehmer. \u201eUnd das funktioniert nur mit einem darauf abstimmten Ladenkonzept, das unsere Arbeit widerspiegelt.\u201c<\/p>\n

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Mit der Umsetzung dieses Konzepts mussten die Wettlaufers bei Null anfangen, denn in der vormaligen Konditorei herrschte ein Renovierungs- und Investitionsstau erster G\u00fcte. Demzufolge blieb in ihrem k\u00fcnftigen Brotkultur-Laden kein Stein auf dem anderen und keine alte Fliese im Boden. \u201eAls auch die abgeh\u00e4ngte, verspiegelte Decke raus war, standen wir in einem Rohbau\u201c, beschreibt Bernd Wettlaufer die Ausgangssituation.<\/p>\n

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Zun\u00e4chst dachten der \u201eRockenb\u00e4cker\u201c und sein Sohn, mit dem Umbau des Ladenbereichs sei es getan. Doch dann nahmen sie das Caf\u00e9 unter die Lupe und stellten fest, dass dort ebenfalls dringend entstaubt werden musste \u2013 und ein frisches, gerade auch junge G\u00e4ste ansprechendes Design das Gebot der Stunde war.<\/p>\n

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Bereits w\u00e4hrend der aufwendigen Restaurierung fragten sich zahlreiche U-Bahn-Fahrg\u00e4ste und Anwohner des trubeligen Frankfurter Verkehrsknotenpunktes, was wohl hinter der Ank\u00fcndigung \u201eDer Rockenb\u00e4cker kommt\u201c stecken k\u00f6nnte. \u201eViele hatten bef\u00fcrchtet, hier w\u00fcrde sich ein Franchise-Ableger oder eine Kette reinsetzen\u201c, erz\u00e4hlt Wettlaufer.<\/p>\n

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Die Nachricht, dass es in dieser bis dato von industriellen Mitbewerbern gepr\u00e4gten Gegend bald wieder einen richtigen B\u00e4cker geben w\u00fcrde, schlug deshalb ein \u201ewie eine Bombe\u201c \u2013 und lie\u00df die Mund-zu-Mund-Propaganda schon Wochen vor der Er\u00f6ffnung zur H\u00f6chstform auflaufen.<\/p>\n

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So verwundert es kaum, dass die Kunden am 4. Oktober ab 8 Uhr Schlange standen. Bernd und Fabio Wettlaufer waren nicht nur von dem Ansturm beeindruckt, sondern ebenso von der Wissbegierde ihrer neuen Kunden. Im Mittelpunkt der zahllosen Gespr\u00e4che ging es immer wieder um ein zentrales Thema \u2013 die Wertigkeit des Brotes vom Handwerksb\u00e4cker im Vergleich zum Discounter.<\/p>\n

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Nicht m\u00fcde wurden Vater und Sohn zudem in der Vermittlung einer weiteren Botschaft: dass sie sich nicht in erster Linie der Grundversorgung mit Backwaren, sondern au\u00dfergew\u00f6hnlichen Genusserlebnissen verpflichtet f\u00fchlen. Und geradezu ber\u00fchrt waren sie vom lebhaften Echo auf den neuen Laden: \u201eWir haben es noch nie erlebt, dass Kunden sich bei uns bedankt haben, dass sie jetzt wieder einen richtigen B\u00e4cker in der N\u00e4he haben, das ist eine ph\u00e4nomenale Anerkennung.\u201c<\/p>\n

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Die Wettlaufers wissen, wie wichtig es ist, als B\u00e4ckermeister so oft wie m\u00f6glich \u2013 also nicht nur bei Neuer\u00f6ffnungen \u2013 in ihren L\u00e4den Flagge zu zeigen. \u201eMan muss sich nach der Arbeit trauen, die B\u00e4ckerjacke anzuziehen und im Gesch\u00e4ft zu erz\u00e4hlen, was wir in der Backstube Gutes tun\u201c, ist Fabio \u00fcberzeugt.<\/p>\n

F\u00fcr seinen Vater steht dabei ein zentraler Aspekt im Vordergrund: \u201eWir B\u00e4cker m\u00fcssen den Kunden im Gespr\u00e4ch Geschichten rund ums Brot erz\u00e4hlen, die Bilder und Emotionen ausl\u00f6sen.\u201c Das, so Bernd Wettlaufer, k\u00f6nne nicht die Aufgabe der Verk\u00e4uferinnen sein.<\/p>\n

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Besonders gut funktioniert das bei den \u201eBrot-Gedichten\u201c aus der Sommelier-Edition, mit denen der Senior auch bei zahlreichen externen Veranstaltungen und Verkostungen zu \u00fcberzeugen wei\u00df. Dabei handelt es sich um acht jeweils ein Kilo schwere, \u00fcberwiegend stangenf\u00f6rmige veredelte Spezialit\u00e4ten, die etwa in Gestalt der \u201eLutterstange\u201c (Dinkel mit Kochst\u00fcck, \u00c4pfeln, Honig und einem Schuss Riesling), eines \u201eBlack Graham\u201c Roggenvollkorn mit ger\u00f6steten Levantiner Haseln\u00fcssen) oder eines \u201eMephisto-Gourmet\u201c f\u00fcr acht Euro das St\u00fcck verkauft werden.<\/p>\n

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Fabio und sein Vater teilen auch die Leidenschaft, sich mit dem Erreichten nicht zufrieden zu geben, sondern regelm\u00e4\u00dfig neue Kreationen und Kompositionen hervorzubringen: \u201eF\u00fcr uns stehen das T\u00fcfteln mit Herzblut und die Freude an unserem Beruf absolut im Vordergrund\u201c, betont der 28-J\u00e4hrige. \u201eUnd daraus entstehen auch die Geschichten zum Brot\u201c.<\/p>\n

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Am Ende dieses denkw\u00fcrdigen Tages in Eschersheim wissen Bernd und Fabio Wettlaufer l\u00e4ngst nicht mehr, wie viele Geschichten sie ihren dankbaren Zuh\u00f6rern erz\u00e4hlt und wie viele Tipps sie in Sachen Allergie und Unvertr\u00e4glich gegeben haben.<\/p>\n

Aber sie wissen, dass sie den n\u00f6rdlich der Frankfurter City gelegenen Stadtteil mit ihrem innovativen Konzept aufgemischt haben und auf dem richtigen Weg sind: \u201eMit dem Brotkultur-Laden m\u00f6chten wir das B\u00e4ckerhandwerk stylisch, aber gediegen und modern repr\u00e4sentieren.\u201c<\/p>\n

Erstver\u00f6ffentlichung: Allgemeine B\u00e4ckerZeitung<\/em> (abzonline.de<\/a>)<\/span><\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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