Besser backen in den Emiraten

Sven Mostegl meistert die Krise. Der 50-jährige Niedersachse lebt seit 1993 in Dubai und hat dort vor fünf seinen Betrieb „Baker‘s Kitchen“ gegründet. Zu der Firma gehört auch ein Restaurant, das Mostegls Frau Heike (48) führt. In der Gaststätte herrschte über mehrere Wochen allerdings Funkstille – Corona lässt grüßen. Die Bäckerei hingegen läuft weiterhin gut und verzeichnet unterm Strich sogar mehr Umsatz.

Sven Mostegl ist als Bauingenieur und Projektmanager in die größte Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate gekommen. Diese beiden Disziplinen hat er studiert, nachdem er sich mit seinem Vater nicht über die Fortführung der Familienbäckerei bei Hannover einigen konnte. Aber im Herzen ist er im Bäcker geblieben, der seinen Sauerteig an den Persischen Golf mitgenommen hat, um dort zunächst für Freunde und Bekannte zu backen.

„Als Bauingenieur bin ich hier nicht glücklich geworden“, erzählt der Vater einer siebenjährigen Tochter. Da blieb nur eins: zurück zu Wurzeln. Mostegl, der zudem über eine Ausbildung als Ernährungsberater verfügt, ist ein Verfechter der „reinen Lehre“ – Fertigmischungen, Backmittel und Zusatzstoffe lehnt er kategorisch ab: „Ich bin einer der wenigen Bäcker auf der Welt, die das Brot aus der Sicht der Verdauung aufbauen.“ Fermentationen von bis zu 76 Stunden sind für ihn also eher die Regel als die Ausnahme.

Auf diese Art und Weise werden in der Backstube in zwei Schichten täglich rund 1200 Brote hergestellt, die über mehrere Kanäle vertrieben werden. Neben dem Direktverkauf im Geschäft beliefert Baker’s Kitchen mit eigenen Fahrzeugen etwa 150 private und gewerbliche Kunden. Einen beachtlichen Teil des Umsatzes erwirtschaftet der Betrieb mit zehn selbst ausgebildeten Produktionsmitarbeitern aus Indien und Afrika zudem über einen externen Bringdienst.

Trotz eines erheblichen Einbruchs bei der Abholung im Laden sowie bei Wiederverkäufern wie Cafés und Restaurants steht die Bäckerei, in der auch Kuchen, Teilchen und Dauergebäck hergestellt werden, gut da. „Das Liefergeschäft mit privaten Abnehmern ist stark gewachsen, deshalb haben wir die Produktion vor zwei Wochen nahezu verdoppelt“, berichtet Sven Mostegl, der seine Mehle zum größten Teil aus Deutschland bezieht.

Diesen Zuwachs führt der Unternehmer auch auf ein gestiegenes Ernährungsbewusstsein von Menschen in der Krise zurück, die vorher nicht zu seinen Kunden zählten: „Wir sind hier ja bekannt für unsere gesunden Backwaren.“ Für diese Zielgruppen hat der Bäckermeister gerade ein besonders bekömmliches Gemüsebrot kreiert, das komplett ohne Wasser auskommt und vor dem Backen drei Tage ruhen darf. „Gemüse ist bekanntlich gut fürs Immunsystem.“

Im Vergleich zu Europa erzielt Mostegl in der mit 3,2 Millionen Einwohnern größten Stadt der Vereinigten Arabischen Emirate für seine überwiegend aus Biomehlen bestehenden Backwaren zum Teil stolze Preise. So kosten im Liefergeschäft etwa ein Kastenroggenbrot (500 Gramm) umgerechnet 5,90 Euro, ein Weißbrot (400 Gramm) 2,60 Euro oder ein freigeschobenes Nussbrot (400 Gramm) 6,40 Euro. Ein Stück Käsekuchen schlägt mit knapp fünf Euro zu Buche, ein Mandelhörnchen mit 3,60 Euro und ein Schokoladencroissant mit 3,80 Euro.

Fotos: Baker’s Kitchen

„Der Bäcker ist der Dreh- und Angelpunkt der Gesellschaft“, sagt Sven Mostegl, „das zeigt sich in Zeiten von Corona besonders deutlich“. Deshalb hat der Berufsstand seiner Überzeugung nach allen Grund, stolz zu sein und sich nicht unter Wert zu verkaufen. „Aber dafür müssen wir etwas tun, indem wir an unserem Image arbeiten. Dann können wir auch höhere Preise erzielen und höhere Löhne zahlen.“

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)

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