Dill trifft Passionsfrucht

So schnell kann es gehen: Nur gut ein Jahr nach dem Start in die Selbstständigkeit konnte Fanny Hübner ihren Nebenjob als Verkäuferin in einem Lebensmittelmarkt an den Nagel hängen – und sich fortan auf das konzentrieren, was ihr am Herzen liegt: die Herstellung feinster Konditorwaren.

 

Mockrehna im Landkreis Nordsachsen: Auf dem Weg von Bahnhof in die Reichsstraße 7 möchte man sich die Ohren zuhalten, wenn ein Lkw nach dem anderen über die stark befahrene Bundesstraße 87 in Richtung Leipzig beziehungsweise Frankfurt an der Oder donnert.

In „Fanny’s Manufaktur“, einem ausgedienten Fleischerladen, hält sich der Lärmpegel in Grenzen. Hier produziert die 28-jährige Bäcker- und Konditormeisterin seit September 2016 „exklusive Pralinen, elegante Hochzeitstorten und süße Verführungen für jeden Anlass“ – und hat sich damit bald darauf einen Namen über den rund 1.500 Einwohner zählenden Ort hinaus erarbeitet.

Nach Mockrehna hat es Fanny Hübner der Liebe wegen verschlagen. Aber im 40 Kilometer entfernten Leipzig hätte die Miete das Budget einer Existenzgründerin ohnehin gesprengt. Und nicht zuletzt dank Marketing via Facebook und einer gut funktionierenden Mundpropaganda ist die junge Unternehmerin zumindest im Sommer bestens ausgelastet.

„Von April bis Oktober läuft das Geschäft mit den Hochzeitstorten auf Hochtouren“, erzählt Hübner in ihrem einen Steinwurf von der Manufaktur entfernten Verkaufsraum im „Alten Gutshaus“. Das trifft sich gut, denn die Produktion der zwischen 400 und 500 Euro teuren Kunstwerke ist ihre Lieblingsbeschäftigung.

„Hier auf dem Land ist der Preis oft erklärungsbedürftig“, hat sie erfahren, „aber wenn die Kunden verstehen, dass ich bis auf den Fondant wirklich alles selbst mache, wollen sie nicht weiter verhandeln“. Zunehmend begehrt bei Hochzeitsfeiern sind zudem süße Buffets mit diversen kleinen Törtchen oder Etageren beziehungsweise Candy-Bars in den verschiedensten Geschmacksrichtungen.

Kunden, die es nicht so süß mögen und deshalb nach Naked-Cakes fragen, bringt Fanny Hübner am liebsten von diesem Wunsch ab – indem sie verspricht, den Fondant dünner als üblich auszurollen. „Mit Fondant lassen sich halt viel schönere Sachen machen.“

Das gilt auch für die Motivtorten zu anderen Anlässen, bei denen sie ihre Kreativität ebenso gerne auslebt. Aber auch ohne Motive sind die Produkte der jungen sächsischen Meisterin ein Blickfang der besonderen Art, wie etwa die Sahnetörtchen, Petit Fours, Tartelettes, Cup-Cakes oder Cake-Pops.

Kreativ zu sein bedeutet für Hübner, aus allen Rohstoffen und Komponenten ein harmonisches Miteinander zu erschaffen sowie leuchtende Farben miteinander in Einklang zu bringen. Und sie liebt das Spiel mit Gewürzen und Kräutern und die Kombination aus süßen und herzhaften Komponenten, die auch bei ihren Schokoladen zum Tragen kommt. Diesen Gegensatz mochte sie schon als Kind: „Ich habe zum Beispiel gerne ein Milchbrötchen mit Marmelade und einer Scheibe Jagdwurst gegessen.“

Wie schafft man es, sich als Newcomer innerhalb eines Jahres in einer ländlichen Region zu etablieren? „Zunächst ganz klassisch, indem ich mit Flyern bewaffnet durchs Dorf getingelt bin und mich in vielen Gesprächen persönlich vorgestellt habe.“ Ein wichtiger Schritt waren überdies ihre erste Hochzeitsmesse sowie der Kontakt zu einem Koch, für den sie auf einer Veranstaltung das süße Buffet gestalten durfte.

Und dann natürlich die kontinuierliche Präsenz auf Facebook und Instagram, die ihr Kunden weit über Mockrehna hinaus bringen. Ein Übriges tut nicht zuletzt die schreibende Zunft, wie zum Beispiel die „Leipziger Volkszeitung“, die dem kleinen sympathischen Betrieb Ende vergangenen Jahres gleich mit einer ganzseitigen Reportage ihre Ehre erwiesen hat.

So ist es auch zu erklären, dass die charmante Handwerkerin mit einer ausgeprägten künstlerischen Ader sich seit Oktober 2018 den liebevoll eingerichteten Laden im „Alten Gutshaus“ erlauben kann, der vorerst nur Freitagsnachmittags geöffnet ist. Dort, auf dem alten Holztresen, steht Fanny Hübners Schatzkästlein – die Vitrine mit den handgefertigten Pralinen, die kaum von Edelsteinen zu unterscheiden sind. Wie für all ihre Produkte verwendet sie auch hier ausschließlich Kuvertüren der Edelmarke Varlhona.

Bei diesen farbenfrohen Unikaten kommt Fannys Liebe zur Mixtur aus süßen und herzhaften Bestandteilen in einem besonderen Maße zum Tragen. Wie wäre es zum Beispiel mit Barbecue-Röstzwiebel, Dill-Passionsfrucht oder Kirsch-Balsamico? Da sagen die meisten Kunden, die pro Praline 1,40 Euro auf den betagten Ladentisch legen, nicht nein. „Bisher kam lediglich die Kombination Kürbis-Knoblauch nicht so gut an“, erinnert sich Hübner.

Das hält sie nicht davon ab, weiter nach Herzenslust zu experimentieren. Gerade bastelt sie etwa an der Idee, sich an einer Lachsfüllung auszuprobieren, was jedoch ein Problem wegen der Haltbarkeit aufwirft. Oder an einer Komposition aus Röstzwiebeln und sauren Gurken, für die es nur noch an der süßen Komponente fehlt.

Und wie geht es nach dem geradezu fulminanten Start weiter? Zunächst mit einem im Aufbau befindlichen Online-Shop. Und dann mit einer Fortbildung zur Schokoladen-Sommelière an der Akademie in Weinheim und mit der Einstellung einer jungen Kollegin, die Fanny Hübner ab Februar unterstützen soll. Weil halt immer mehr Kunden den Weg über die Bundesstraße 87 in die Reichsstraße 7 finden.

Erstveröffentlichung: Konditorei & Café (www.kocaonlione.de)

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