\u201eNat\u00fcrlich vermisse ich die Musik. Sehr sogar.\u201c Seit seinem f\u00fcnften Lebensjahr hat sie im Leben von Shin Komine eine wichtige und sp\u00e4ter sogar die Hauptrolle gespielt. Mit Anfang 30 sollte sich das \u00e4ndern: Der studierte Cellist, der seine Ausbildung in Tokio begonnen und an der Universit\u00e4t der K\u00fcnste in Berlin abgeschlossen hat, entdeckte seine Leidenschaft f\u00fcr die Patisserie.<\/p>\n

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Das brachte den 42-j\u00e4hrigen Inhaber des im Dezember 2016 er\u00f6ffneten Caf\u00e9s Komine in Berlin-Sch\u00f6neberg ins Gr\u00fcbeln, wie sein Leben nun weitergehen m\u00f6ge \u2013 als Musiker oder als Patissier. Oder vielleicht als Kombination aus beiden Berufen. Nach dieser Variante sah es zun\u00e4chst aus, als er im Jahr 2009 zur\u00fcck nach Japan ging. Dort begann er eine Ausbildung an der in 20 L\u00e4ndern pr\u00e4senten, 1895 gegr\u00fcndeten franz\u00f6sischen Kochschule \u201eLe Cordon Bleu\u201c.<\/p>\n

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In der Regel verlassen die Absolventen diese ber\u00fchmte Kaderschmiede der Koch- und Backkunst nach neun Monaten. Shin Komine hingegen brauchte knapp zwei Jahre, bis er das \u201eDipl\u00f4me de P\u00e2tisserie\u201c in H\u00e4nden hielt. Schuld daran war die Musik, die f\u00fcr den Cellisten eng mit dem Komponisten Johannes Brahms verbunden ist. \u201eWenn ich ein Konzertangebot erhielt, habe ich das angenommen\u201c, erz\u00e4hlt er in seinem kleinen minimalistisch eingerichteten Caf\u00e9, an das sich die Backstube anschlie\u00dft.<\/p>\n

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Dem Schwenk vom Cello zum R\u00fchrbesen lag kein Schl\u00fcsselerlebnis zugrunde. \u201eIch war einfach neugierig und wollte mit Anfang 30 noch einmal etwas Neues ausprobieren\u201c, sagt der Unternehmer. Das hat Komine zun\u00e4chst am heimischen Herd gemacht und dabei festgestellt, wie sehr ihn das Handwerk des Patissiers fasziniert. Gleichwohl war ihm nach dem Besuch des \u201eLe Cordon Bleu\u201c immer noch nicht recht klar, wohin die berufliche Reise gehen w\u00fcrde. Au\u00dferdem stand die Frage an, wo er k\u00fcnftig Wurzeln schlagen sollte \u2013 in Japan oder in Deutschland?<\/p>\n

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Eines zeichnete sich jedoch bereits ab: F\u00fcr eine vielversprechende Karriere als Musiker war er damals bereits zu alt. Also machte er N\u00e4gel mit K\u00f6pfen und ging zur\u00fcck nach Berlin, um sich nun ganz der Patisserie zu widmen. Und nachdem er in seiner Wahlheimat Einblick in einige Betriebe genommen hatte, lie\u00df der Entschluss, sich selbstst\u00e4ndig zu machen, nicht mehr lange auf sich warten.<\/p>\n

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Dass es sich dabei um die richtige Entscheidung handelte, zeichnete sich schnell ab: Bereits wenige Tage nach der Er\u00f6ffnung seines Betriebs in einer ruhigen Seitenstra\u00dfe im eher b\u00fcrgerlichen Bezirk Sch\u00f6neberg konnte Shin Komine sich \u00fcber einen regen Zuspruch freuen.<\/p>\n

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Mit diesem unerwarteten Echo war der Plan des Patissiers vom Tisch, das Gesch\u00e4ft langsam angehen zu lassen, um seine handwerklichen F\u00e4higkeiten in aller Ruhe vertiefen zu k\u00f6nnen. \u201eAus diesem Grund habe ich auch keine Werbung gemacht.\u201c Doch was hei\u00dft das schon im Internet-Zeitalter? Folglich sprach sich die Kunde von einer neuen Patisserie unweit des Viktoria-Luise-Platzes, in der japanische und franz\u00f6sische Elemente zusammenflie\u00dfen, schnell herum.<\/p>\n

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Im ersten Jahr nach der Er\u00f6ffnung war die Kundschaft allerdings ziemlich homogen \u2013 vorwiegend bestehend aus in Berlin lebenden Japanern und japanischen Touristen. Das Geld f\u00fcr Marketing h\u00e4tte der Jungunternehmer sich ohnehin sparen k\u00f6nnen: Kaum ein Blogger, Genuss-Portal im Internet oder Printmedium lie\u00df es sich nehmen, den Betrieb in den h\u00f6chsten T\u00f6nen zu loben. Ein \u00dcbriges tat der \u201eFeinschmecker\u201c, f\u00fcr den die Patisserie zu den besten Caf\u00e9s Deutschlands geh\u00f6rt.<\/p>\n

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Bei so viel Publicity wundert es nicht, dass die ersten G\u00e4sten schon eintreffen, kaum dass sich die T\u00fcr um 12:30 Uhr ge\u00f6ffnet hat. Und sogleich richten sich die stauenden Blicke auf die Vitrine mit den hingebungsvoll produzierten T\u00f6rtchen und Tortenst\u00fccken. Der Star unter ihnen ist von der ersten Stunde an der \u201eMont-Blanc\u201c, bestehend aus einem Baiserboden, Schlagsahne, Maronencreme und \u2013 abweichend vom italienischen Originalrezept \u2013 Cassiscreme. \u201eOhne Cassis w\u00e4re es zu s\u00fc\u00df\u201c, sagt Komine.<\/p>\n

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Cassis und Maronencreme finden sich auch in anderen Produkten wieder. Zum Beispiel im \u201eB\u00fbche de No\u00ebl 2018\u201c mit einem Kern aus Namelaka-Schokoladencreme auf einem Mandel-Haselnuss-Biskuit und wei\u00dfer Konfit\u00fcre. Matcha darf in einer japanischen Patisserie nat\u00fcrlich ebenfalls nicht fehlen. Shin Komine, der Zutaten wie Maronencreme und Butter aus Frankreich bezieht, verwendet ihn zum Beispiel in seiner Tiramisu, im Matcha-Sesam-T\u00f6rtchen sowie zur Herstellung von Softeis.<\/p>\n

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Hoch in der Gunst der Kunden stehen nicht zuletzt auch die Windbeutelkreationen des sp\u00e4tberufenen Berliner Patissiers. Davon zeugt etwa das \u201eChoux aux noix\u201c \u2013 gef\u00fcllt mit Cr\u00e8me p\u00e2tiss\u00e8re, Sahne mit Mandeln und Haselnuss-Praline, dekoriert mit ger\u00f6steten Mandeln, Haseln\u00fcssen und Pistazien. Oder das sommerliche \u201eChoux aux fraises\u201c mit Erdbeerkompott, aufgeschlagener wei\u00dfer Ganache mit Vanille und frischen Erdbeeren. Und Matcha kommt bei den Windbeuteln ebenfalls schon mal ins Spiel.<\/p>\n

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In allen Produkten, die zu Preisen zwischen zwei und sieben Euro angeboten werden, spiegelt sich Shin Komines Leidenschaft f\u00fcr klare, geradezu strenge Formen und sparsame schn\u00f6rkellose Verzierungen \u201ewie in der modernen Architektur\u201c wider. \u201eUnd sie d\u00fcrfen nicht so s\u00fc\u00df wie in Japan sein.\u201c<\/p>\n

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Mit dieser Philosophie liegt er auf einer Linie mit deinem Vorbild Yoshiaki Kaneko. Der Meister verf\u00fcgt \u00fcber eine jahrelange Erfahrung in namhaften franz\u00f6sischen Patisserien wie dem \u201eLadur\u00e9e\u201c und ist schlie\u00dflich auch in Frankreich sesshaft geworden: Neben seinem Stammhaus in Tokio betreibt er seit 2013 eine Dependance in Paris.<\/p>\n