Nach 16 Jahren Stillstand den alten Ofen wieder angeheizt

Im Jahr 2001 war der Ofen aus – die Bäckerei Begle in der kleinen österreichischen Gemeinde Schlins im Vorarlberg wurde geschlossen. Seit Mai 2017 wird dort wieder gebacken. Nicht jeden Tag, aber mindestens einmal im Monat. Das ist vor allem den Töchtern des letzten Inhabers, Carolin und Mirjam Begle, zu verdanken, die sich vom Inventar aus Vaters und Großvaters Zeit nicht trennen mochten. So gründeten sie in den Räumen des stillgelegten Betriebs den Verein „brot.zeit“.

„Wir möchten das Bewusstsein für gutes Brot schärfen und die Fähigkeit, selbst zu backen, vermitteln“, bringt die Vorsitzende Carolin Begle das Ziel des Vereins auf den Punkt. Bei der Umsetzung stehen ihr und ihrer Schwester unter anderem der ebenfalls zur Familie gehörende Bäcker Patric Lampert zur Seite. Der 47-jährige Fachmann hat das Handwerk bei ihrem Vater Reinhold gelernt.

Die rund 100 Mitglieder, die teilweise bis zu 40 Kilometer von Schlins entfernt wohnen, profitieren in vielfacher Hinsicht von Vereinszugehörigkeit. So ist es allein ihnen vorbehalten, die bei den monatlichen Backtagen entstehenden Brote zu kaufen, die eine Woche zuvor bestellt werden müssen. Zudem haben sie die Möglichkeit, selbst an der Produktion mitzuwirken und so mit der Kunst des Backens vertraut zu werden. Darüber hinaus erhalten sie einen Rabatt auf die Kursgebühren und dürfen die Backwerkstatt mieten.

Großer Beliebtheit erfreuen sich auch die Workshops für Kinder. „Es ist uns wichtig, das Gespür für traditionell hergestelltes Brot in einem frühen Stadium zu wecken“, sagt Carolin Belge. So versteht es sich von selbst, dass in der wiederbelebten Bäckerei keine Fertigmischungen oder Tiefkühlprodukte verwendet werden und die hefefreien Brote lange reifen dürfen.

In besonderen Fällen kann darüber schon mal mehr als eine Woche ins Vorarlberger Land gehen. In diesen Genuss kam beispielsweise ein Sauerteigbrot nach dänischem Rezept, „das jeden Tag behandelt und gepflegt werden musste“, wie Patric Lampert berichtet. Hergestellt wurde die Spezialität im Rahmen der sporadisch veranstalteten “baker.spaces”, bei denen die Liebe zum Experimentieren – auch im Lehmbackofen – an erster Stelle steht.

Hier können die Mitglieder sich ebenfalls aktiv ein- und die ausgefallensten Rezepte mitbringen. „Einmal haben wir dabei sogar Mehl aus Mehlwürmern verarbeitet“, erzählt die 40-jährige Vorsitzende. Neue und ungewöhnliche Rezepturen bringen Carolin Belge und ihre Mitstreiter auch von Besuchen in Bäckereien mit, wo das Team Einblick in die Produktion nimmt.

Inspirationen von außen entstehen nicht zuletzt über die Zusammenarbeit mit einem örtlichen Verein, der sich der Kräuterküche verschrieben hat und Ideen für neue Kräuterbrotvariationen liefert. Einen guten Draht gibt es darüber hinaus zu einer ebenfalls in Schlins ansässigen Weinhandlung, für deren Verkostungen „brot.zeit“ die Backwaren liefert.

Fotos: Caroline Begle

Flagge zeigt man überdies auf den Herbst- und Adventsmärkten der 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde, wo Großbrote wie Bärentatzen, Schweizer Laible oder Sonnenblumenbrote feilgeboten werden. „Vom Bedarf her gesehen könnten wir jede Woche backen“, schildert Carolin Belge die wachsende Beliebtheit des Vereins. „Aber wir möchten den Bäckereien keine Konkurrenz machen.“

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