Ein Lichtblick zwischen Fabrikbrot und Donuts

Nach einem Praktikum beim einem deutschen Bäcker auf Lanzarote war alles klar: Monika Merryman würde in ihrer Wahlheimat USA eine Bio-Bäckerei eröffnen. Das war 2011. Die Rechnung der 41-jährigen Deutschen ist aufgegangen, und so führt sie heute einen florierenden Betrieb in der Kleinstadt Sycamore im Bundesstaat Illinois – Monika’s Organic Bakery.

 

Als die gelernte Wirtschaftskorrespondentin 1999 mit ihrem amerikanischen Mann zunächst in Arizona landete, erlitt sie einen vorhersehbaren Kulturschock. „Das Brot hier ist ein furchtbares Zeug, wabbeliger weicher Toast, den man höchstens mal einen Tag essen kann.“ Dagegen gab es nur ein Rezept: einen ordentlichen Roggensauerteig ansetzen und das Brot künftig selbst backen, das dann allerdings bei ihrem Mann zu einem Kulturschock führte.

 

Bis zu dem Entschluss, sich mit einer Bäckerei selbstständig zu machen, sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen, die Monika Merryman unter anderem zu einer Versicherung und in eine Kindertagesstätte geführt hatten. Nach Lanzarote ging es dann schnell. Nach einigen Stationen in Mietküchen bauten die Merrymans kurzerhand ihr Wohnhaus im Mittleren Westen um und richteten in zwei Zimmern einen kompletten, vom Staat zertifizierten Betrieb ein.

 

Der Zeitpunkt war günstig: Kurz zuvor trat ein Gesetzt in Kraft, mit dem Hausbäckereien legalisiert und die Produkte auf Wochenmärkten verkauft werden durften. „Und weil in den USA keine Ausbildung erforderlich ist, konnte es nun losgehen“, erzählt Merryman. Konkurrenz war und ist nicht in Sicht, denn klassische Bäckereien sucht man in den Staaten vergeblich – das wabbelige Toastbrot kommt aus der Fabrik und von dort in den Supermarkt.

 

„Hier gibt es höchstens sogenannte Konditoreien, die überwiegend Donuts und Zimtbrot herstellen.“ So kam es also, dass die drei Wochenmärkte des rund 18.000 Einwohner zählenden Städtchens Sycamore über Nacht um einen Stand mit deutschen Bio-Backwaren reicher waren.

Monika’s Organic Bakery ist ein Ein-Frau-Betrieb mit einem entsprechend übersichtlichen Sortiment. Dreikorn-, Bauern-, Laugen- und ein Weißbrot mit verschieden Toppings sowie Baguette gehören ebenso dazu wie etwa Saatenbrötchen, Brezel, Bagels, Laugenstangen mit und ohne Käse oder Dinkelkräcker. Zum Standard gehört auch das „Brot der Woche“ – zum Beispiel mit Birnen oder frischem Kürbis vom örtlichen Bauern, gerösteten Cashewkernen oder in Gestalt einer Focaccia mit Rosmarin und Meersalz.

 

Süßes bietet die Mutter von drei Kindern ebenfalls feil: einen Hefezopf, Streuselkuchen, Brownies, Muffins und Zimtschnecken – und zur Weihnachtszeit natürlich Stollen, Lebkuchen und Plätzchen. Und zur Abrundung des Sortiments gibt es ein kleines Angebot an glutenfreien Backwaren.

Die Kundschaft besteht vor allem aus Amerikanern mit einem Bezug zu “good old Germany“. Viele von ihnen waren schon einmal als Touristen in Deutschland, haben selbst dort gelebt oder können zumindest deutsche Verwandtschaft vorweisen. „Für einen großen Teil der Amerikaner ist Deutschland gleichbedeutend mit Bayern“, hat Monika Merryman erfahren.

 

Das erklärt, warum die Unternehmerin an ihrem Marktstand ausschließlich im feschen Dirndl anzutreffen ist. Dort erklärt sie ihren Kunden auch gerne, dass das Land nicht nur aus der Region südlich des Mains besteht. „Die Menschen sind sehr aufgeschlossen und wissbegierig und freuen sich über Hintergrundinformationen.“ So glauben sie ihrer Bäckerin inzwischen auch, dass ein gutes Baguette nicht unbedingt in Frankreich hergestellt sein oder ein Ciabatta nicht zwangsläufig aus Italien stammen muss.

 

Das Backen liegt Merryman von der Kindheit an im Blut, aber sie möchte immer weiter lernen und professioneller werden. So war es nur konsequent, sich im Januar 2017 auf die Reise nach Weinheim zu begeben und an der Bundesakademie einen „International Diploma Course“ zu absolvieren. Die vier Wochen an der Bergstraße hatten es in sich und haben die Bäckerin ein gutes Stück vorwärtsgebracht: „Ich bin viel mutiger im Ausprobieren und Experimentieren geworden.“ Und diverse Rezepte, die sie nun nach eigenem Gusto variiert, hat sie ebenfalls aus Weinheim mitgebracht.

 

Professioneller ist mittlerweile auch Merrymans Produktionsstätte geworden. Die befindet sich nun nicht mehr unterhalb ihrer Wohnung, sondern in einem separaten Gebäude. In großem Stil expandieren kann sie, die seit Weinheim den Titel „Certified German Baker“ trägt, deshalb aber nicht. Denn nach wie vor steht sie morgens ab 3 oder 4 Uhr alleine in ihrer neuen Backstube. Wer sollte ihr auch schon qualifiziert zur Hand gehen – dort im Mittleren Westen, wo das Brot aus der Fabrik kommt.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)