„Irgendwann standen die Kunden bis auf die Straße“

Zum Schluss haben ihn die vielen fruchtlosen Diskussionen darüber genervt, wie man eine Bäckerei am besten aufstellt. Torsten Burkhardt war und ist der Meinung, dass es auf diese Frage eine klare Antwort gibt: ohne Fertigmischungen und möglichst ohne Zusatzstoffe. Seine Chefs, von denen er 17 an der Zahl erlebt hat, waren anderer Meinung. Auch deshalb zog es der Bäckermeister im Jahr 2006 vor, sein eigener Chef zu werden.

Willroth im Oberwesterwald, 400 Meter über dem Meeresspiegel, knapp 1000 Einwohner. Hier hat Torsten Burkhardt 2002 ein Haus gekauft und die Garage zwei Jahre lang in Eigenleistung zu einer Bäckerei mit italienischem Holz-Kuppelofen umgebaut. Größe einschließlich Verkaufsraum: 15 Quadratmeter. Nach der Eröffnung, von 2004 bis 2006, war der Betrieb mit dem Namen „Backfreund“ zunächst ein Nebenerwerb –Burkhardt blieb noch seinem Job als Backstubenleiter in Köln treu.

Dann war klar, dass der Laden läuft – und schnell zu klein sein würde. „Irgendwann standen die Kunden bis auf die Straße“, erzählt der 50-Jährige. So blieb nichts weiter übrig, als erneut den Betonmischer anzuwerfen, um einen angrenzenden Partyraum zu integrieren. Doch auch damit war es nicht getan: Bis 2010 investierte der Unternehmer gut 600.000 Euro in weitere Um- und Anbauten und legte sich einen zweiten Holzofen zu.

Relativ viel Geld investiert der Bäckermeister auch in die personelle Ausstattung des Betriebs. So beschäftigt er allein in der Backstube sieben Mitarbeiter: einen Meister, einen Gesellen, eine Konditorin, drei Auszubildende und eine Aushilfe. „Wir haben ein gutes Personalpolster, damit die Leute keine Überstunden machen müssen“, erklärt Burkhardt. „Meistens haben sie sogar Minusstunden, aber so lange das funktioniert, ist es in Ordnung“. Und obendrein gibt es noch ein Bonussystem.

Trotz des ländlichen Standortes funktioniert auch die Nachwuchsgewinnung problemlos. Das ist nicht zuletzt der kontinuierlichen Präsenz des Betriebs auf regionalen Ausbildungs- und Orientierungsmessen geschuldet. Wirkung zeigen überdies Workshops für Kinder und Jugendliche sowie das regelmäßige Eltern-Kind-Backen. „Ich werde also gesehen und wahrgenommen“, erklärt Burkhardt. Außerdem bietet er seinen nicht mobilen Auszubildenden – neben verträglichen Arbeitszeiten – ein dickes Plus: einen Hol- und Bringservice.

Burkhardt führt seinen Erfolg mit jährlichen Zuwachsraten von 10 Prozent vor allem auf den Umstand zurück, dass er komplett auf Tütenware verzichtet und seine Brote, Baguettes und Kuchen keine Zusatzstoffe enthalten: „Nur bei den klassischen Schnittbrötchen kommt noch ein konventionelles Langzeitbackmittel zum Einsatz.“

Das wissen die Kunden, von denen er viele regelmäßig nicht nur im Geschäft, sondern auch in seinen Backkursen begrüßt. „Ich verteufele Zusatzstoffe nicht, aber wenn man sie verwendet, sollte man das auch sagen“, lautet sein Credo.

Burkhardts Kunden wissen aber auch, dass der Bäckermeister sein Mehl von einer benachbarten Mühle bezieht, die keine Ascorbinsäure zusetzt. „Deshalb kommt es ungefähr alle 14 Tage zu Qualitätsschwankungen, die wir ausgleichen beziehungsweise die die Kunden aushalten müssen“.

Die Käufer aus einem Umkreis von 35 Kilometer lieben ihren „Backfreund“ nicht nur für dessen Stammsortiment, sondern gleichermaßen für seine Lust am Experimentieren. Torsten Burkhardt, der es bereits zweimal in den „Feinschmecker“ geschafft hat, ist kontinuierlich im Netz unterwegs, um Backwaren aus aller Welt ausfindig zu machen und die Rezepte, falls nötig, den deutschen Geschmacksnerven anzupassen.

Dabei kommen zum Beispiel Exoten wie „Kenianisches Elefantenfußbrot“ (Weißbrot mit gekochten Kartoffeln, Maispolenta und Chili), Melonenbrötchen, mexikanische Churros (längliches Fettgebäck) oder ein japanischer, im Wasserbad hergestellter Käsekuchen heraus. Auf Diskussionen über diese Produkte lässt sich Burkhardt gerne ein. Weil sie immer fruchtbar sind und ihm bestätigen, dass er gut daran getan hat, sein eigener Chef zu werden.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)