Bettina Schliephake Burchardt: Die Tortenqueen bittet zum Genuss

Sie war nie die klassische Konditorin, die schon als Vierjährige lieber mit Kuchenteig als mit Kinderknete gespielt hätte. In Bettina Schliephake-Burchardt (Betty) schlummerten viel mehr künstlerische Gene, die sich erst nach ihrer Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin entfalten sollten. Umso mehr genießt die 47-jährige Konditormeisterin heute ihre europaweite Reputation als Spezialistin für kunstvolle Tortendekorationen. Das große Echo auf ihre Arbeit verdankt sie nicht zuletzt ihrem Job als Jurorin in der Fernsehsendung „Das große Backen“, in der sie gemeinsam mit dem Pâtissier Christian Hümbs die Arbeit von Hobbybäckern einer kritischen Würdigung unterzieht.

 

„Fremdsprachenkorrespondentin war einfach nicht meine Sache“, erzählt Betty an dem kleinen Gartentisch vor ihrem Atelier im ruhig gelegenen, ländlich geprägten Hamburger Stadtteil Volksdorf. Da traf es sich gut, dass der Blick ihres Vater auf eine Stellenausschreibung im Schaufenster des örtlichen Konditors fiel, der eine Auszubildende suchte. „Wäre das nicht was für dich?“ Doch, das war etwas für die damals 20-Jährige – und es kam wie eine Erleuchtung über sie: „Warum auch immer, da wusste ich sofort, dass es in diese Richtung gehen würde.“

 

Ihre Ausbildung hat sie dann nicht in Volksdorf, sondern bei Frank Steidl in Hamburg absolviert. Während eines privaten Aufenthalts in England 1992 wurde dann der Grundstein zu ihrer heutigen Karriere gelegt: Schliephake-Burchardt erhielt erstmals die Gelegenheit, sich in einem Betrieb in der Kunst des Modellierens auszuprobieren. „Das hat damals in Deutschland keiner so gemacht, und das war für mich eine Offenbarung.“

 

Dermaßen beeindruckt, schritt die junge Frau in der Hansestadt gleich zur Tat, meldete ein Nebengewerbe mit Genehmigung zur Herstellung „nicht essbarer Torten“ an und legte los. „In den Dekorblumen war ja auch Draht, weshalb diese als nicht essbar galten“, erklärt Betty. Der kleine Trick war aber auch möglich, weil sie die Tortenrohlinge nicht selbst backte, sondern von ihrem Lehrmeister Frank Steidl bezog, was die kommenden 20 Jahre so bleiben sollte. Eigentlich wollte sie nach der Ausbildung Lebensmittelchemie studieren, doch nach dem Schlüsselerlebnis in Großbritannien war dieser Plan vom Tisch. Stattdessen gründete sie 1993 „Betty’s Sugar Dreams“.

 

Der Draht in den Blumen sollte ihr Mitte der neunziger Jahre allerdings auch zum Verhängnis werden: Bei ihrer ersten Teilnahme an der Bühnenshow auf der INTERNORGA wurde sie deshalb disqualifiziert. „Immerhin konnte ich dort aber zeigen, was Kunsthandwerk auch sein kann.“ Ihrem steilen Aufstieg stand dieser Fauxpas ohnehin nicht im Weg. Und schlussendlich heimste sie auf der Hamburger Leitmesse zwischen 1997 und 2000 doch noch diverse Medaillen in Gold, Silber und Bronze ein.

 

Ihre ersten Weiterbildungskurse zogen Bettina Schliephake-Burchardt wieder nach England, wo sie auch an Wettbewerben und Messen teilnahm. Dann ging es auch in Deutschland Schlag auf Schlag: Hochzeits-, Kunsthandwerker- und Lifestylemessen gehörten fortan zum Tagesgeschäft. Ihre Affinität zum Konditorenhandwerk der britischen Insel zahlte sich im Übrigen 2002 in barer Münze aus: Die Torten für das britische Konsulat anlässlich des 50. Thronjubiläums der Queen trugen ihre schon damals unverwechselbare Handschrift.

 

Die Dekoration von ungewöhnlichen Festtagstorten war 20 Jahre lang Bettys Welt – stets inspiriert von Konditorenkollegen in Großbritannien und den USA. Während dieser Zeit hat sie sich unaufhörlich weitergebildet. So belegte sie beispielsweise einen Hochzeitstortenkurs bei Colette Peters in New York und absolvierte die „Masterclass Sugarcraft“ mit Paddy Clarke in der Squires Kitchen School in England sowie weitere Seminare im Vereinigten Königreich und in den USA.

 

Seit 2017, nach einer Ausbildung an der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk, trägt die in Peru geborene Mutter eines 22-jährigen Sohnes auch den Titel „Geprüfte Schokoladen-Sommelière“. Ein Jahr zuvor meisterte sie eine noch größere Hürde: Als erste Europäerin bestand die Konditormeisterin die Prüfung zum „Certified Master Sugar Artist – CMSA“ der amerikanischen Tortenvereinigung ICES – „nach einer schweißtreibenden achtstündigen Live-Prüfung bei 95 Prozent Luftfeuchtigkeit in Alabama“.

 

Ihren maßgeblich von englischen und amerikanischen Einflüssen geprägten Stil beschreibt die hanseatische Tortenkünstlerin als „in der Regel sehr komsumfreundlich mit einem künstlerischen Akzent“, der stets zu einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis und einem besonderen Geschmackserlebnis führen soll. „Man sollte nicht den Anspruch haben, etwas für die Ewigkeit zu schaffen und sich immer die Frage stellen, ob mit einer Torte wirklich auch Geld zu verdienen ist“, lautet ihr Credo.

 

Eines ihrer Erkennungszeichen bei Hochzeitstorten war lange Zeit die Kombination aus Blumen und Figuren (Brautpaaren), die nach Einschätzung einer Kollegin nicht statisch sind, sondern den Eindruck erweckten, als bewegten sie sich aufeinander zu. „Bis irgendwann kein Mensch mehr Figürchen auf Hochzeitstorten sehen wollte.“

 

Seit 2015 beschäftigt sich Bettina Schliephake-Burchardt mit Festtagstorten nur noch in den von ihr veranstalteten Kursen in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie als TV-Jurorin. Nach 20 Jahren eigener Produktion – rund 1.500 Torten sind in diesem Zeitraum entstanden – hat sie sich von diesem Geschäft verabschiedet. „Die Kombination aus Tortenmachen und Kursen hat mich zum Schluss aufgefressen“, begründet sie den Schritt. Beflügelt wurde er zudem vom steigenden Wettbewerb in Verbindung mit einem zunehmenden Preisdruck in Hamburg bis hin zu Dumping-Angeboten.

 

Aus der Abwägung, was mehr Freude und finanziellen Gewinn bringt, gingen die Kurse und ihre Fernsehtätigkeit schließlich als Sieger hervor. Und für Umsatz sorgt nicht zuletzt ihr Online-Shop mit einem umfangreichen Sortiment an allem, was das Herz von Hobbybäckern höherschlagen lässt. Nicht zu vergessen ihr 2009 erschienenes Buch „Betty’s Sugar Dreams – Motivtorten Basics“, das bisher mehr als 6.000 mal verkauft worden ist. Und dann ist sie ja noch als Dozentin an der „Chocolate Academy“ der Firma Barry Callebaut in Köln und Zürich tätig.

 

Mit ihren Kursen zieht sie Amateure und Kollegen gleichermaßen in ihren Bann. Woran liegt das? „In erster Linie wohl an meiner langjährigen Erfahrung“, sagt Betty, die sich im Vorstand der Konditoren-Innung Hamburg und im Gesellenprüfungsauschuss engagiert. Aber zu einem großen Teil sicher auch an ihrer schnörkellosen Handschrift, die sie als „bodenständige Kunst“ auf den Punkt bringt.

 

Darunter versteht sie gutes, sauber gearbeitetes Handwerk mit einem künstlerischen Touch, das schnell umsetzbar und für viele greifbar ist – „also nichts Abgehobenes.“ Diese Maxime schätzt offenbar auch ihr Fernsehpublikum, das sie ab September wieder in der neuen Staffel von „Das große Backen“ und „Das große Promi-Backen“ – moderiert von der aktuellen Brotbotschafterin Enie van de Meiklokjes – für sich gewinnen wird.

An ihren Kursen für Profis schätzt Bettina Schliephake-Burchardt nicht nur die Wissensvermittlung, sondern ebenso den Austausch und die Möglichkeit, gemeinsam etwas Neues entstehen zu lassen. Neben der Praxis nimmt hier die Theorie zunehmend Raum ein. Ein wichtiges Thema ist für sie zum Beispiel Marketing – und immer wieder der Apell an die Kollegen, sich nicht als Einzelkämpfer und Konkurrenten zu sehen, sondern sich zu vernetzen und so mehr zu erreichen.

 

Und wie wird das Konditoren- und Bäckerhandwerk in Deutschland entwickeln? „Ich denke, der Trend geht hin zu kleinen, feinen Bertrieben mit wenigen Highend-Produkten.“ Nicht jeder Laden, ist Betty überzeugt, muss das klassische vielfältige Sortiment anbieten: „Vier oder fünf gut gemachte Torten reichen völlig aus; die Kunden werden das annehmen.“

 

Wünschenswert aus ihrer Sicht wäre zudem die Entwicklung eines eigenen deutschen, nicht mehr so stark an England und Amerika angelehnten Stils. Zum Beispiel mit einer Rückbesinnung auf die große Marzipantradition oder auf Spritzglasur und Randgarnierung von Torten. „Ich wünsche mir, dass das nach den ganzen Nacked Cakes wieder zurückkommt.“

 

Wie sich ihr eigener Weg entwickeln wird, steht noch dahin: „Ich habe immer alles auf mich zukommen lassen.“ Nicht auszuschließen ist, dass ihr Sohn, der zurzeit eine Ausbildung zum Konditor absolviert, mit Ideen für gemeinsame Projekte auf Bettina Schliephake-Burchardt zukommen wird. „Dafür wäre ich offen.“

Fotos: Elfride Liebenow/Bettina Schliephake Burchardt

Erstveröffentlichung: KOCA – Das Magazin für Konditorei & Café (www.kocaonline.de)