Widerstand zwecklos

Vielleicht lag es am Vater, einem gelernten Fleischer und Koch, der seine Familie stets auch am heimischen Herd mit kulinarischen Köstlichkeiten verwöhnt hat. Jedenfalls wusste Dilek Topkara schon früh, dass ihre berufliche Laufbahn in Richtung Lebensmittel gehen würde. Doch erst während des Studiums zeigte sich, dass feinste Back- beziehungsweise Konditorwaren ihr Leben prägen sollten.

 

Mit der Wissenschaft beschäftigt sich die Ingenieurin für Lebensmitteltechnologie nur noch am Rande, seit sie im Oktober 2013 ihre Konditorei „Dilekerei“ in Berlin betreibt. Den ersten praktischen Unterbau für das Handwerk hat die 34-Jährige, deren Studienschwerpunkt im Bereich Süßwaren- und Getreidetechnologie lag, in Form zahlloser Backversuche und -analysen an der Freien Universität Berlin, an Forschungseinrichtungen in England sowie am Potsdamer Institut für Getreideverarbeitung erworben.

 

So richtig in die Vollen des Konditoreiwesens ging es dann während ihres fünfjährigen Forschungsaufenthalts als Stipendiatin der Europäischen Kommission in London. Und in der britischen Hauptstadt erhielt sie quasi ihre erste Auszeichnung: ein Praktikum bei der deutschen Konditorin und Autorin Peggy Porschen. Die 42-Jährige genießt an der Themse den Ruf als „Bäckerin der Stars“, die Prominente wie Elton John, die Oskar-Preisträgerin Gwyneth Katherine Paltrow und die Modedesignerin Stella Nina McCartney regelmäßig mit Torten und Gebäck beliefert.

 

Ganz ohne war es nicht, Peggy Porschen von Dilek Topkaras Begeisterung für künstlerische Torten zu überzeugen. „Aber im zweiten Anlauf hat es dann geklappt“, erzählt die gebürtige Berlinerin in ihrem kleinen Café im ehemaligen Arbeiterbezirk Wedding. Und noch ein wichtiger Schritt hat funktioniert: ein Praktikum beim Konditor Gerhard Jende, der in London deutsche und englische Backwaren herstellt und dort sechs Filialen betreibt.

 

Nach einem weiteren Praktikum in New York musste dann Plan B herhalten: Aus der in London angestrebten Promotion sollte nichts werden, und Topkara kehrte zurück nach Berlin, um sich selbstständig zu machen. Das sollte sich als richtige Entscheidung erweisen, denn mit ihrer „Dilekerei“ war sie nahezu vom Start weg erfolgreich. Der Schwerpunkt des kleinen Bertriebs im Norden der Hauptstadt liegt auf kunstvollen Torten für die unterschiedlichsten festlichen Anlässe. „Hier konnten wir vor allem im boomenden Markt der Hochzeitstorten Fuß fassen“ sagt die junge Unternehmerin, die sich die Arbeit in der Backstube mit einer Konditormeisterin teilt.

 

Als Selbstläufer erwiesen sich auch die weiteren Produkte des Sortiments wie die ebenfalls künstlerisch anspruchsvollen Schoko- und Haferkekse, Cookies, Cupcakes, Macarons oder Minitorten. „Wir verwenden keine ausgestochenen Fondantsachen, sondern verzieren oder bemalen jedes einzelne Stück von Hand“, bringt Dilek Topkara ihren Anspruch auf den Punkt.

 

Am Wochenende, wenn das Café seine Tür für die Gäste aus der Nachbarschaft und der ganzen Stadt öffnet, stehen dann auch unverzierte Klassiker wie Käse- und Schokoladenkuchen oder Russischer Zupfkuchen auf dem Tresen, die wie alle Produkte aus möglichst vielen Biorohstoffen und -zutaten hergestellt werden. Dementsprechend ist für Fertigmischungen sowie Farb- und Zusatzstoffe jeglicher Art in der kleinen Backstube kein Platz.

 

Die ist eher vollgestellt mit selbstgemachten Marmeladen und Cremes sowie Kirschen, Pflaumen und Äpfeln aus dem Schrebergarten der Familie Topkara oder mit Haselnüssen von der großelterlichen Plantage in der Türkei. Allen Produkten aus der „Dilekerei“ ist eines gemein: Sie bestechen durch schnörkellose Eleganz.

 

Wer also nach Torten mit Figürchen, Fußbällen oder Landschaften sucht, ist bei Dilek an der falschen Adresse: „So etwas wollte ich von Anfang an nicht, weil bei mir das Handwerk und nicht das Tortendesign im Mittelpunkt steht.“ Liebhaber veganer oder glutenfreier Backwaren kommen in der Weddinger Eulerstraße ebenfalls nicht auf ihre Kosten: „Ich will und kann nicht alle Ansprüche befriedigen.“

 

Mit dieser kompromisslosen Ausrichtung hat Topkara eine Nische gefunden und ihre Handschrift als Marke etabliert. Dass sie damit von Anfang an so erfolgreich war, ist nicht zuletzt auf einige Shootings mit anderen Herstellern und Dienstleistern rund um das Thema Hochzeit zurückzuführen, die im Internet auf allen denkbaren Kanälen Verbreitung fanden. So verwundert es nicht, dass sie vermehrt Anfragen von Heiratswilligen aus aller Welt bekommt, die das große Fest im angesagten Berlin zelebrieren und dabei natürlich auch nicht an der exklusiven Torte für 500 Euro aufwärts sparen möchten.

 

Mehr und mehr findet Dilek Topkara nicht nur in Blogs und Foren Beachtung, sondern auch in den guten alten Printmedien. Zum Beispiel, wenn das Magazin „ELLE“ sich wieder einmal dem Thema Hochzeit widmet und Wedding-Planner dort ihre „besten Tipps“ zum Besten geben. Oder wenn der Berliner „Tagesspiegel“ davon schwärmt, dass ihre Törtchen „so akkurat, ihre Eclairs so luftig und ihre Victoria Sponges mit frischen Beeren so unwiderstehlich sind“. Und selbst die „F.A.Z.“ hat sich jüngst lobend über Topkaras Manufaktur geäußert: „Schlichtes Understatement statt Überzuckerung“.

 

 

Bei so viel medialer Aufmerksamkeit erstaunt es fast nicht, dass die Jungunternehmerin seit Herbst vergangenen Jahres ihr eigenes, 176 Seiten umfassendes Backbuch „Torten, Törtchen, Tartes“ mit 45 Rezepten und großartigen Fotos ihrer Schwester Melek Özdemir in Händen hält. „Ich hatte schon länger vor, ein Buch zu schreiben, und dann fiel mir das Angebot vom Heel-Verlag in den Schoß, ohne dass ich etwas dafür getan hätte“, erzählt Topkara.

 

Das entspricht dem eher zurückhaltenden Naturell der backenden Wissenschaftlerin: nach außen nicht permanent auf die Pauke hauen, sondern die Dinge auf sich zukommen lassen. So fließt ihre gesamte Energie in überzeugend schlichte Kreationen und in die gesunde organische Entwicklung eines Betriebs, dessen Ziel nicht Wachstum um jeden Preis ist: „Wir möchten klein bleiben und dabei glücklich sein.“

Alle Fotos: Melek Özdemir

Erstveröffentlichung: KOCA – Das Magazin für Konditorei & Café (www.kocaonline.de)