Bäckerei Barth: Zur rechten Zeit auf Bio umgestellt

Im Jahr 2006 trifft Johannes Barth eine wegweisende Entscheidung: Der Inhaber der 1817 gegründeten Vollkornbäckerei Barth stellt das gesamte Brot- und Brötchensortiment auf Bio um. Der radikale Schritt kommt zur rechten Zeit und gibt dem Familienunternehmen mit Sitz in Niederfell an der Mosel einen kräftigen Wachstumsschub. Zum Beispiel dergestalt, dass der Betrieb inzwischen 18 Rewe-Märkte zu seinen Kunden zählt.

Einige Jahre nach dieser Zäsur trifft Barths Tochter Charlotte (32) eine nicht minder weitreichende Entscheidung: Statt weiterhin Sport und Theologie zu studieren, um anschließend Lehrerin zu werden, absolviert sie eine verkürzte Ausbildung zur Bäckerin in Hamburg. Anschließend führt sie der Weg nach Weinheim, wo sie ihren Meister und den Betriebswirt des Handwerks erlangt. Und nach einem sechsmonatigen Praktikum  in der Schweiz geht es zurück in den kleinen, knapp 20 Kilometer von Koblenz entfernten Ort an der Untermosel.

„Mein Vater hat meine Schwestern und mich nie gefragt, ob eine von uns den Betrieb übernehmen möchte, sodass wir unsere eigenen Wege gegangen sind“, erzählt Charlotte Barth. „Aber er hat sich natürlich gefreut, als es bei mir Klick gemacht hat und ich mich doch noch dafür entschieden habe.“

Bio war für die Bäckerei mit inzwischen elf Fachgeschäften an Mosel und Rhein sowie im Hunsrück bereits für Barths Großvater ein Thema. Zumindest was dessen nach wie vor produziertes Schwarzbrot betrifft, mit dem er auch zahlreiche Kollegen in der Region beliefert hat. Heute ist die Spezialität einer der Renner des Betriebs mit dem Schwerpunkt Brot und Brötchen, der jeden Dienstag dreieinhalb Stunden bei niedriger Temperatur in die Dampfbackkammer kommt, bevor er geschnitten und in Tüten verpackt wird.

Die 2006 erfolgte Umstellung, von der das Kuchensortiment noch ausgenommen ist, verlief relativ geräuschlos. „Wir haben keine Kunden verloren, sondern sogar neue hinzugewonnen“, sagt Charlotte Barth. Dazu gehören beispielsweise regionale Reha-Zentren, Hotels oder auch Klöster, die ihren Gästen nicht nur Ruhe und Einkehr, sondern auch eine besonders hochwertige Verpflegung bieten möchten.

Die im Umkreis von etwa 50 Kilometer gelegenen REWE-Märkte kamen ebenfalls zur richtigen Zeit ins Boot. In diesen Geschäften verfügen die Barths, die rund 90 Mitarbeiter beschäftigen, über eigene, exklusive Regale, die sie täglich mit frischer Ware bestücken. „Das ist einfach in der Organisation und könnte prinzipiell noch ausgebaut werden, aber dafür haben wir keine Kapazität“, sagt Barth, die das Unternehmen zusammen mit ihrem Vater führt.

Gemäß der Philosophie einer Bio-Bäckerei legt der Betrieb Wert auf regionale Rohstoffe und Zutaten. Dieser Anspruch bezieht sich in erster Linie auf das im Hunsrück angebaute Getreide, wobei Weizen und Roggen täglich auf der eigenen Steinmühle vermahlen werden. Das Wasser zur Herstellung der hefefreien Frischkornbrote gewinnt man in Niederfell aus der eigenen Aufbereitungsanlage nach der „Elisa-Quellwasser-Methode“.

Im Vergleich zu Leitungswasser werden diesem mit Steinen belebten Wasser unter anderem wolligere, glattere Teige, eine Verbesserung der Standfertigkeit um bis zu 20 Prozent sowie eine Reduktion von Schwankungen zugeschrieben. „Außerdem nehmen die Teige mehr Wasser auf, sodass die Brote länger frisch bleiben“, erklärt Charlotte Barth.

Stolz ist die junge Bäckermeisterin zudem auf ihre Schnitt- und Kaiserbrötchen, die in einer sogenannten PATT-Anlage hergestellt werden. Der Name steht  für „programmiertes Abkühlen teilgegarter Teiglinge“ und bezeichnet ein Verfahren, bei dem diese ­– verkürzt dargestellt – sehr langsam heruntergekühlt werden.

Barth attestiert den so produzierten Brötchen einen deutlich besseren Geschmack, aber auch eine „herrliche und besonders rösche Kruste“. Dasselbe gilt für das Sauerteig-Baguette der Vollkornbäckerei – vom Vorteig bis zum Einschießen in den Steinofen lassen die Bäcker diesem Produkt drei Tage Zeit.

Bereits dreimal wurde der hohe Anspruch des mittelständischen Unternehmens an handwerkliche Qualität mit dem prestigeträchtigen „Landesehrenpreis Rheinland-Pfalz“ gewürdigt. Die Auszeichnung, die das Wirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit dem Bäckerinnungsverband Südwest und dem Verband des Rheinischen Bäckerhandwerks vergibt, wird nicht für bestimmte Produkte verliehen. Vielmehr berücksichtigt der Preis die gesamte Struktur der Betriebe einschließlich fairer Löhne mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Ausbildung und hohen Hygienestandards.

Beim Ausblick auf die weitere Entwicklung der Bäckerei in der siebten Generation kommt Charlotte Barth das Wort „Expansion“ nicht über die Lippen – denn dafür müsste eine neue Backstube gebaut werden. „Mein Vater hat mir diese Entscheidung überlassen, und ich habe mich dagegen entschieden“, sagt die Unternehmerin.

 

Barth denkt eher über eine Spezialisierung des Sortiments und eine Verkleinerung des Filialnetzes nach. „Dann könnte ich selbst öfters vor Ort sein und mich besser um die Mitarbeiter und ihre Schulungen kümmern.“ Ein großes Thema für sie sind zudem mittelfristig geplante Veränderungen bei den Arbeitszeiten in der Backstube – also weg von der Nachtarbeit. Und das Kuchensortiment soll sich künftig ebenfalls mit dem Bio-Siegel schmücken dürfen. Der Bedarf an wegweisenden Entscheidungen ist in Niederfell also weiterhin hoch.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)

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