Erfurter Puffbohnen und Spargeleis

Der Taxifahrer kennt sich aus: „Roth ist die einzige Bäckerei in der Stadt, bei der man morgens um drei schon frische Brötchen bekommt.“ Von der Möglichkeit, direkt in der Backstube kaufen zu können, machen er und seine Kollegen, aber auch Polizisten und die Besatzungen von Rettungsfahrzeugen rege Gebrauch. „Wir sind zwar nicht der Einzige, aber diese Sitte hat bei uns in der Tat eine lange Tradition“, sagt Torsten Roth, der den Erfurter Betrieb in zweiter Generation führt. Zusammen mit neun Kollegen hält der Bäcker- und Konditormeister die Fahne des Handwerks in der 200.000 Einwohner zählenden thüringischen Landeshauptstadt hoch. Den Grundstein dazu hat Roths Vater Harmut 1967 mit der Übernahme des 1961 eröffneten Betriebs gelegt.

Sieht hübsch aus und schmeckt: die Erfurter Puffbohne

Die Anfangsjahre hatten es in sich, weiß Torsten Roth von seinem Vater. Das lag vor allem an dem betagten altdeutschen Backofen, der noch mit Holz und Kohle beheizt werden musste. „Das war eine ziemliche Schinderei“, erzählt der 41-Jährige. Dafür war der Weg zum Mehl in der benachbarten Wendenmühle relativ kurz, sodass es zur Not auch mal mit der Sackkarre oder auf der Schulter herangeschafft werden konnte.

11 Mitarbeiter beschäftigt die Bäckerei Roth heute alleine in der Backstube, davon jeweils zwei Bäcker- und Konditormeister – für einen Betrieb ohne Filialen und ein überschaubares Liefergeschäft eine vergleichsweise hohe Zahl. „Ich kann ja nicht alles selbst machen, und außerdem haben wir nur wenige Maschinen“, erklärt der Unternehmer.

Und das sieht nach Arbeit aus: Torsten Roth und Stephanie Stange

Was Torsten Roth immer selbst macht, ist sein Konditoreis, bei dem die Experimentierfreude des Meisters voll zum Tragen kommt und bei dem er auch die exotischsten Wünsche erfüllt. Wenn etwa der Erfurter Kresse-Park nach Kresseeis verlangt, bekommt er es; oder wenn ein Spargelhof Spargeleis verkaufen möchte, kreiert Roth eben Spargeleis. Und wenn einer Brauerei der Sinn nach Biereis steht, ist sie in der Magdeburger Allee 129 ebenfalls an der richtigen Adresse.

Einen guten Ruf genießt der Betrieb zudem bei einigen Erfurter Sexshops. „Die bekommen von uns erotische Mitbringsel aus Marzipan, die zum Beispiel in der Advents- und Weihnachtszeit sehr gefragt sind.“ Ein weiterer ungewöhnlicher Kunde kauft ebenfalls gerne bei der Bäckerei Roth ein: die Touristinformation Erfurt ­– aber nicht etwa Brot oder Torten, sondern die „Erfurter Puffbohne“. Bei dieser ganz und gar unerotischen Marzipanspezialität handelt es sich um die süße Nachbildung einer in der Region angebauten, vergleichsweise großen Bohnensorte, die ebenfalls als Mitbringsel dient.

Bringt frischen Wind aus Frankreich nach Erfurt: Angéline Claude

Trotz der stets sprudelnden eigenen Kreativität lassen sich Torsten Roth und sein Team immer wieder auch von außen inspirieren – seit einigen Monaten zum Beispiel von der jungen Französin Angéline Claude. „Wer in Frankreich seinen Meister machen möchte, muss ein Auslandspraktikum nachweisen“, erklärt Roth. Schon heute ist klar, dass Angéline Spuren hinterlassen wird, denn ihr Baguette und ihre Macarons möchte der Erfurter Betrieb ins Sortiment aufnehmen. Und für einen polnischen Praktikanten ist der Meister ebenfalls voll des Lobes: „Der war richtig gut.“

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)