Klitschig, eiweißreich und ohne Mehl

Das Leben in dieser Abgeschiedenheit muss man mögen. Volker Apitz mag es nicht nur, er liebt es.  Der 44-jährige Bäckermeister betreibt in dem 150 Einwohner zählenden Dorf Rohrlack im Landkreis Ostprignitz-Ruppin seit 16 Jahren die Bio-Bäckerei Vollkern. Die meisten seiner Kunden leben eine gute Autostunde von diesem idyllischen Fleckchen Erde entfernt – in Berlin, wo Apitz etwa 60 Naturkostläden mit Brot Brötchen und Kuchen beliefert. Weitere 20 Abnehmer sind quer über das Land Brandenburg verteilt.

Spezialität der besonderen Art: das "Ur-Essener"-Brot. Foto: Martin Blath

Spezialität der besonderen Art: das “Ur-Essener”-Brot

 

Die Anfänge des Demeter-Betriebs, der als einer der ersten auch zahlreiche glutenfreie Backwaren anbietet, waren eher bescheiden. Beim Start im Jahr 2000 stand Apitz allein in der Backstube – und wenn er mit dem Backen fertig war, belud er den Transporter und fuhr in Richtung Hauptstadt. Dort hatte der gebürtige Stralsunder zuvor fleißig Klinken geputzt. „Damals war der Markt geradezu unersättlich“, erinnert sich der gelernte Konstruktionsmechaniker mit Abitur. Als Türöffner fungierte vor allem aber das Demeter-Siegel, denn bis heute arbeiten in Berlin lediglich Märkisches Landbrot und Weichardt Brot nach den biologisch-dynamischen Richtlinien.

Inzwischen beschäftigt Volker Apitz, der sein Handwerk in der Stralsunder Traditionsbäckerei Krämer gelernt hat, 26 Mitarbeiter – 15 davon in der Backstube, in der täglich rund 1.500 Brote in zwei Schichten aus dem Ofen kommen. Eine seiner Brotsorten ragt aus dem Sortiment heraus: das „Ur-Essener“. Die klitschige, eisweißreiche und leicht süßliche Spezialität aus zerkleinerten Roggen- und Weizenkeimen, die ohne ein Gramm Mehl auskommt, wird dem Volk der Essener zugeschrieben.

Diese religiöse Gruppe des antiken Judentums, heißt es, hat Fladenbrote aus gekeimten Getreide geformt und in der Sonne getrocknet. Bei Vollkern ist das in drei Variationen hergestellte, zwischen 180 und 140 Grad im abklingenden Ofen gebackene Ur-Essener der Renner: „Für dieses lebendige Brot verarbeiten wir in unseren beiden Fleischwölfen jeden Tag bis zu 200 Kilogramm Keime“, erzählt der fünffache Familienvater.

Ländlische Idylle in Rohrlack. Foto: Martin Blath

Ländlische Idylle in Rohrlack

 

Das florierende Geschäft der abgelegenen Bio-Bäckerei beruht zu einem guten Teil auch auf Partnerschaften und Kooperationen. So gehört Volker Apitz zu den Unterzeichnern der Charta „fair & regional“ – einem Zusammenschluss regionaler Unternehmen, die sich für Herstellung, Verarbeitung und Handel ökologisch produzierter Lebensmittel starkmachen.

Bei den Qualitätskriterien für das im Umland angebaute Demeter-Getreide setzt Apitz ebenfalls auf Zusammenarbeit: „Die entsprechenden Kriterien legen wir gemeinsam mit Märkisches Landbrot, Weichardt Brot und unseren Landwirten fest.“ Märkisches Landbrot, die größte Bio-Bäckerei in Berlin und Brandenburg, ist zudem ein starker Vertriebspartner für den Rohrlacker Betrieb.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge bietet der Wahl-Brandenburger seine Backwaren auch im eigenen Hofladen mit einem umfangreichen Sortiment an Bio-Lebensmitteln an. „Das ist zwar wirtschaftlich bedenklich“, sagt Volker Apitz, „aber den Gedanken, hier nur zu produzieren und den Leuten im Dorf nichts davon zu verkaufen, fand ich ganz furchtbar.“ Und wenn die Berliner Kunden am Wochenende ins Grüne fahren, können sie ihren Spaziergang auf dem idyllischen Fleckchen Erde mit einem Sonntagsfrühstück im Café der Bäckerei Vollkern einläuten.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)