Entwicklungshilfe aus dem Backofen

Helmut Gragger könnte jeden Tag 15 bis 20 neue Mitarbeiter einstellen. Allerdings nicht in seinen Bio-Betrieben in Wien und Ansfelden bei Linz an der Donau, sondern im Senegal. In dem westafrikanischen Land betreibt der 47-jährige Bäckermeister mit seinem Freund Wolfgang Scheidl und in Kooperation mit der evangelischen Pfarrgemeinde Linz zwei Bäckereien, die den Menschen das Hauptnahrungsmittel liefern: Baguette.

Die Gragger & Cie. Socialbusiness GmbH ist kein Unternehmen nach europäischen Maßstäben, basiert aber auch nicht auf klassischer Entwicklungshilfe. Das heißt, die beiden Betriebe mit jeweils rund zehn Beschäftigen in der ehemaligen französischen Kolonie arbeiten durchaus profitabel – aber der Gewinn wird nicht abgeschöpft, sondern in die Ausbildung junger Menschen investiert.

„Handwerk, soziales Engagement und Ökologie gehören für mich untrennbar zusammen“, erklärt Gragger seine „Expansion“ weit über Österreich hinaus. Vor zwei Jahren haben er und Scheidl ihre erste senegalesische Bäckerei mit einem selbstentwickelten, die örtlichen Ressourcen schonenden Ofen eröffnet. Gefolgt von einem zweiten Standort, der im Frühsommer 2018 an den Start gegangen ist.

Das Sortiment der beiden Betriebe, die von der jungen deutschen Bäckermeisterin Katie Schubert geleitet werden, ist noch überschaubar. „In eineinhalb Schichten produzieren wir dort täglich jeweils rund 1500 Baguette, 60 Schnecken und 60 Brioche“, erzählt Helmut Gragger, der in Österreich fünf Standorte betreibt und zudem an Sarah Wieners Holzofenbäckerei in Berlin beteiligt ist.

Ebenso wie in seinen heimischen Bäckereien gibt Gragger auch im Senegal beeinträchtigten (jungen) Menschen die Chance, sich über eine Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsstelle Perspektiven zu eröffnen. Dieses Ziel verfolgt der Unternehmer überdies in seinen Socialbusiness-Bäckereien in Uganda sowie in der thailändischen Hauptstadt Bangkok.

Ein gutes halbes Jahr haben Gragger und Scheidl für die Eröffnung des ersten Betriebs im 15 Millionen Einwohner zählenden Senegal gebraucht – wobei allein der Transport der Ausstattung von Österreich in das seit 1960 unabhängige Land zwei Monate gedauert hat. Das Herzstück des Equipments sind die selbst gebauten Backöfen, die mit Briketts aus Sägespänen, Erdnussschalen und Getreideabfällen beheizt werden.

„Wir möchten kleinen Bäckereien mit einer schlauen Technologie und einem wirtschaftlich tragfähigen System eine Überlebenschance geben und die Menschen so unabhängig von spendenbasierter Entwicklungshilfe machen“, sagt der Wiener Bäckermeister, dessen Sohn Raphael seit August ebenfalls vor Ort ist.

Diese Rechnung scheint aufzugehen, wie der tägliche Ansturm auf die beiden Betriebe zeigt: In der Regel finden die Kunden sich bereits eine Stunde vor dem Öffnen der Öfen ein – weil sie das Baguette, dem Gragger einen Teil nahrhaftes Hirsemehl zufügt, am liebsten warm verzehren. Mittelfristig sollen sie zudem über eine Langzeitführung ohne chemische Zusatzstoffe auskommen. Auf die Bäckermeisterin Katie Schubert wartet also noch viel Arbeit.

Erstveröffentlichung: Allgemeine BäckerZeitung (www.abzonline.de)